Jetzt aber mal ernsthaft
Ich gebe zu, ich war faul, doch dies sei mir bitte verziehen. Die ersten Wochen in der neuen Arbeit waren hart, aber so langsam finde ich die Zeit und Muße wieder, mich anderen Dingen zu widmen. Ich gebe allerdings auch zu, dass ich meine Freizeit dank guter Wetterlage mehr draußen als drinnen verbracht habe, um zu erkunden. was mir meine Umgebung so alles zu bieten hat. Und das ist, gemessen an dem Fakt, dass diese Gegend den meisten Reiseführern nur mehr oder weniger eine Randnotiz wert ist, erstaunlich viel. Aber eins nach dem anderen, oder erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Mein Arbeitgeber ist eine Firma, die häusliche Unterbringungen für Kinder und Jugendliche in ganz England bietet, die aus verschiedenen Gründen nicht zu Hause bleiben können. Die Jugendlichen sollen, laut Firmensatzung, in einem möglichst familiären Umfeld aufwachsen, daher beschränkt sich die Annzahl der Jugendlichen pro Haus auf 1 bis ca. 5 Jugendliche, das ist von Haus zu Haus verschieden. Alleine in der Gegend um Shrewsbury herum befinden sich ca. 10 solcher Häuser, 2 davon sind in meiner Nähe. Und in diesen zwei Häusern arbeite ich hauptsächlich. Die Schichten sind von morgens 8 Uhr bis Nachts um 22 Uhr. Dann kann man wenn man Glück hat nach Hause gehen, oder man ist für einen Sleep-In eingeteilt. In dem einen Haus befinden sich tagsüber 5 Mitarbeiter und nachts 2-3 (bei 3 Mädels) und in dem anderen 2 Mitarbeiter Tag und Nacht (bei einem Jugendlichen; dieses Haus steht zur Zeit aber leer). Wenn man dann noch mehr Pech hat, ist man für den nächsten Tag wieder von 8-22 Uhr eingeteilt. Es kann also vorkommen, dass man von Tag 1, 8 Uhr, bis Tag 2, 22 Uhr, auf Schicht ist (was nicht bedeutet, dass man dann nach Hause gehen kann, denn das geht erst, wenn alle im Bett sind und der ganze Papierkram erledigt ist). So eine Schicht kann verdammt lang sein! Nach so einer Doppelschicht hat man aber meistens auch zwei Tage frei. Leider grassiert bei uns gerade die Krätze oder irgend ein anderer Bösewicht, so dass wir kontinuierlich zu wenige Mitarbeiter haben. Da das bei allen Häusern hier in der Gegend gerade so ist, können wir uns von denen auch keine Kollegen "borgen", was sonst ab und zu der Fall ist.
In den ersten Wochen war es ganz schön hart, zu den Jugendlichen einen Bezug zu bekommen, vor allem als jemand, der Englisch nicht als Muttersprache spricht. Ich war zwar schon vorher ein Jahr lang auf Reisen, aber mein Englisch ist immer noch weit davon entfernt, perfekt zu sein. Das stört sowohl manchmal in der alltäglichen Kommunikation als auch vor allem im Erledigen des Papierkrams und in endlos langen "Staff Meetings". Aber die Mädels haben sich so langsam an mich gewöhnt und kommen mit mir inzwischen gut klar. Von meinen Kollegen bekomme ich alle Unterstützung die ich mir wünschen kann. Zwei meiner Kollegen haben sogar zu meinem Geburtstag "Zum Geburtstag viel Glück" einstudiert (und man konnte es sogar einigermaßen verstehen).
Mit vielen meiner Kollegen kann ich auch außerhalb der Arbeit was anfangen. Entweder ist es derselbe Musikgeschmack, der uns verbindet, oder die Liebe zu Outdooraktivitäten oder eben einfach die Arbeit. Es ist ein gutes Team, auch wenn wir fast 20 Leute sind und man dabei den ein oder anderen mal aus dem Auge verliert, wenn man längere Zeit nicht zusammen gearbeitet hat.
Was für eine Überleitung zu dem vergnüglichen Teil dieses Artikels (der wahrscheinlich wesentlich länger ausfallen wird als der erste Teil). Ich habe ja bereits in einem der vorigen Artikel beschrieben, wie und wo ich hier wohne (bezüglich der Wohnugssituation hat sich übrigens auch etwas geändert, aber dazu später). Es ist extrem ländlich. Damit ihr euch eine Vorstellung davon machen könnt, hier ein paar Zahlen. Shrewsbury ist die Hauptstadt der Grafschaft Shropshire und bei weitem die größte Stadt im Umland. Es hat ganze 67.000 Einwohner. Oswestry, 20 Meilen (also ca. 32 km) entfernt, ist die nächstgrößte "Stadt" in meiner Gegend, mit knappen 16.000 Einwohnern und gehört damit immer noch zu dengrößten Städten in der Grafschaft. Das Dorf in dem ich lebe ist nochmal 9 km weiter entfernt und hat sage und schreibe 1.500 Einwohner. Weil wir aber so weit von jeglicher Zivilisation sind, gibt es hier alles was man braucht: einen großen Supermarkt, 2 Tankstellen, einen "Laden um die Ecke", mehrere Pubs, 2 Pizzerien, 1 Friseur, 1 Autohändler und sogar 1 Kostümshop (um nur ein paar Einrichtungen zu nennen).
Ich fühle mich hier aber durchaus wohler als in einer großen Stadt, obwohl ich immer noch kein Auto besitze. Entweder Bus und Bahn oder mein Fahrrad bringen mich aber überall hin, wo ich hin will. Da unter euch ja vielleicht einige Menschen sind, die mich hier besuchen kommen wollen, muss ich hier versuchen, euch die Gegend so schmackhaft wie möglich zu machen. Das schöne daran ist: ich muss dafür an meinen Berichten gar nichts beschönigen, denn die Gegend ist wirklich absolut fantastisch. Und zwar nicht, weil es hier herausragendes zu sehen gibt wie etwa das Matterhorn, Machu Picchu in den Anden oder ähnliche Touristenbordelle, sondern weil man eine große Auswahl an verschiedenen Naturgegebenheiten hat. Da wären zum einen die Cambrian Mountains und der Snowdonia National Park in Wales, mit dem Mt. Snowdon als dem höchsten Berg von England & Wales (nur Ben Nevis in Schottland ist noch höher), da wäre das viktorianische Resort-Städtchen Llandudno an der Atlantikküste, da wäre das wunderschöne Tal des River Severn, der an der Englisch- Walisischen Grenze sich entlangschlängelt, bis er im Süden in der Bucht von Bristol mündet. Falls man gerne wandern geht, aber nciht so viel Zeit hat, so bieten auch die "Shropshire Hills" mehr als nur eine Entschädigung für die walisischen Berge. Aber ich fange von vorne an.
Ein Kollege von mir hat gemeint, wenn ich gerne wandern gehe und auch längere Strecken nicht scheue, dann wüsste er genau den richtigen Ort dafür. Also haben wir an einem Samstag, an dem wir beide frei hatten, unsere Rucksäcke gepackt und sind über die Grenze nach Wales gefahren, in einen kleinen Ort namens Llanrhaedr (wenn ihr das schwierig zu lesen oder auszusprechen findet, wie wird es euch dann erst mit dem Namen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch ergehen?)
Von dem eigentlichen Ort ging es noch mal ein paar schmale Straßen hinauf in die Berge, bis wir nicht mehr weiter fahren konnten. Vom Auto aus konnte ich schon sehen, dass mein Kollege nicht übertrieben hat. 73 Meter in die Tiefe stürzte sich da das Wasser des Afon Rhaeadr vor uns in die Tiefe, und zwar so malerisch wie überhaupt nur möglich. Aber auch hier galt wieder, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Mein Kollege war der Meinung, dass wir erst einen Rundgang über die verschiedenen Spitzen der umgebenden Berge machen sollten, bevor wir uns am Anblick des herabrauschenden Wassers ergötzen könnten. Das Problem war nur: Der Kollege war in der Armee und daher ein etwas anderes Marschtempo gewohnt als ich. Er ist mir buchstäblich davongerannt, während ich zum Schluss alle 10 Minuten eine Pause einlegen musste. Aber es hat sich gelohnt, wir haben so ungefähr die beste Sicht über halb Wales und ganz Shropshire gehabt. Etwas mehr als zwei Stunden später dann haben wir uns am Pistyll Rhaeadr, dem Wasserfall, niedergelassen, um das Spektakel zu bewundern. Es sind übrigens auch die höchsten Wasserfälle von Wales, 20 min mit dem Auto von mir entfernt.
An dieser Stelle muss ich leider meine Ausschweifungen unterbrechen. Wir haben schon wieder spät in der Nacht und ich muss morgen den ganzen Tag arbeiten. Zum Glück aber nur einen Tag und ohne Sleep-In!!
Bis bald
ingo
Mein Arbeitgeber ist eine Firma, die häusliche Unterbringungen für Kinder und Jugendliche in ganz England bietet, die aus verschiedenen Gründen nicht zu Hause bleiben können. Die Jugendlichen sollen, laut Firmensatzung, in einem möglichst familiären Umfeld aufwachsen, daher beschränkt sich die Annzahl der Jugendlichen pro Haus auf 1 bis ca. 5 Jugendliche, das ist von Haus zu Haus verschieden. Alleine in der Gegend um Shrewsbury herum befinden sich ca. 10 solcher Häuser, 2 davon sind in meiner Nähe. Und in diesen zwei Häusern arbeite ich hauptsächlich. Die Schichten sind von morgens 8 Uhr bis Nachts um 22 Uhr. Dann kann man wenn man Glück hat nach Hause gehen, oder man ist für einen Sleep-In eingeteilt. In dem einen Haus befinden sich tagsüber 5 Mitarbeiter und nachts 2-3 (bei 3 Mädels) und in dem anderen 2 Mitarbeiter Tag und Nacht (bei einem Jugendlichen; dieses Haus steht zur Zeit aber leer). Wenn man dann noch mehr Pech hat, ist man für den nächsten Tag wieder von 8-22 Uhr eingeteilt. Es kann also vorkommen, dass man von Tag 1, 8 Uhr, bis Tag 2, 22 Uhr, auf Schicht ist (was nicht bedeutet, dass man dann nach Hause gehen kann, denn das geht erst, wenn alle im Bett sind und der ganze Papierkram erledigt ist). So eine Schicht kann verdammt lang sein! Nach so einer Doppelschicht hat man aber meistens auch zwei Tage frei. Leider grassiert bei uns gerade die Krätze oder irgend ein anderer Bösewicht, so dass wir kontinuierlich zu wenige Mitarbeiter haben. Da das bei allen Häusern hier in der Gegend gerade so ist, können wir uns von denen auch keine Kollegen "borgen", was sonst ab und zu der Fall ist.
In den ersten Wochen war es ganz schön hart, zu den Jugendlichen einen Bezug zu bekommen, vor allem als jemand, der Englisch nicht als Muttersprache spricht. Ich war zwar schon vorher ein Jahr lang auf Reisen, aber mein Englisch ist immer noch weit davon entfernt, perfekt zu sein. Das stört sowohl manchmal in der alltäglichen Kommunikation als auch vor allem im Erledigen des Papierkrams und in endlos langen "Staff Meetings". Aber die Mädels haben sich so langsam an mich gewöhnt und kommen mit mir inzwischen gut klar. Von meinen Kollegen bekomme ich alle Unterstützung die ich mir wünschen kann. Zwei meiner Kollegen haben sogar zu meinem Geburtstag "Zum Geburtstag viel Glück" einstudiert (und man konnte es sogar einigermaßen verstehen).
Mit vielen meiner Kollegen kann ich auch außerhalb der Arbeit was anfangen. Entweder ist es derselbe Musikgeschmack, der uns verbindet, oder die Liebe zu Outdooraktivitäten oder eben einfach die Arbeit. Es ist ein gutes Team, auch wenn wir fast 20 Leute sind und man dabei den ein oder anderen mal aus dem Auge verliert, wenn man längere Zeit nicht zusammen gearbeitet hat.
Was für eine Überleitung zu dem vergnüglichen Teil dieses Artikels (der wahrscheinlich wesentlich länger ausfallen wird als der erste Teil). Ich habe ja bereits in einem der vorigen Artikel beschrieben, wie und wo ich hier wohne (bezüglich der Wohnugssituation hat sich übrigens auch etwas geändert, aber dazu später). Es ist extrem ländlich. Damit ihr euch eine Vorstellung davon machen könnt, hier ein paar Zahlen. Shrewsbury ist die Hauptstadt der Grafschaft Shropshire und bei weitem die größte Stadt im Umland. Es hat ganze 67.000 Einwohner. Oswestry, 20 Meilen (also ca. 32 km) entfernt, ist die nächstgrößte "Stadt" in meiner Gegend, mit knappen 16.000 Einwohnern und gehört damit immer noch zu dengrößten Städten in der Grafschaft. Das Dorf in dem ich lebe ist nochmal 9 km weiter entfernt und hat sage und schreibe 1.500 Einwohner. Weil wir aber so weit von jeglicher Zivilisation sind, gibt es hier alles was man braucht: einen großen Supermarkt, 2 Tankstellen, einen "Laden um die Ecke", mehrere Pubs, 2 Pizzerien, 1 Friseur, 1 Autohändler und sogar 1 Kostümshop (um nur ein paar Einrichtungen zu nennen).
Ich fühle mich hier aber durchaus wohler als in einer großen Stadt, obwohl ich immer noch kein Auto besitze. Entweder Bus und Bahn oder mein Fahrrad bringen mich aber überall hin, wo ich hin will. Da unter euch ja vielleicht einige Menschen sind, die mich hier besuchen kommen wollen, muss ich hier versuchen, euch die Gegend so schmackhaft wie möglich zu machen. Das schöne daran ist: ich muss dafür an meinen Berichten gar nichts beschönigen, denn die Gegend ist wirklich absolut fantastisch. Und zwar nicht, weil es hier herausragendes zu sehen gibt wie etwa das Matterhorn, Machu Picchu in den Anden oder ähnliche Touristenbordelle, sondern weil man eine große Auswahl an verschiedenen Naturgegebenheiten hat. Da wären zum einen die Cambrian Mountains und der Snowdonia National Park in Wales, mit dem Mt. Snowdon als dem höchsten Berg von England & Wales (nur Ben Nevis in Schottland ist noch höher), da wäre das viktorianische Resort-Städtchen Llandudno an der Atlantikküste, da wäre das wunderschöne Tal des River Severn, der an der Englisch- Walisischen Grenze sich entlangschlängelt, bis er im Süden in der Bucht von Bristol mündet. Falls man gerne wandern geht, aber nciht so viel Zeit hat, so bieten auch die "Shropshire Hills" mehr als nur eine Entschädigung für die walisischen Berge. Aber ich fange von vorne an.
Ein Kollege von mir hat gemeint, wenn ich gerne wandern gehe und auch längere Strecken nicht scheue, dann wüsste er genau den richtigen Ort dafür. Also haben wir an einem Samstag, an dem wir beide frei hatten, unsere Rucksäcke gepackt und sind über die Grenze nach Wales gefahren, in einen kleinen Ort namens Llanrhaedr (wenn ihr das schwierig zu lesen oder auszusprechen findet, wie wird es euch dann erst mit dem Namen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch ergehen?)
Von dem eigentlichen Ort ging es noch mal ein paar schmale Straßen hinauf in die Berge, bis wir nicht mehr weiter fahren konnten. Vom Auto aus konnte ich schon sehen, dass mein Kollege nicht übertrieben hat. 73 Meter in die Tiefe stürzte sich da das Wasser des Afon Rhaeadr vor uns in die Tiefe, und zwar so malerisch wie überhaupt nur möglich. Aber auch hier galt wieder, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Mein Kollege war der Meinung, dass wir erst einen Rundgang über die verschiedenen Spitzen der umgebenden Berge machen sollten, bevor wir uns am Anblick des herabrauschenden Wassers ergötzen könnten. Das Problem war nur: Der Kollege war in der Armee und daher ein etwas anderes Marschtempo gewohnt als ich. Er ist mir buchstäblich davongerannt, während ich zum Schluss alle 10 Minuten eine Pause einlegen musste. Aber es hat sich gelohnt, wir haben so ungefähr die beste Sicht über halb Wales und ganz Shropshire gehabt. Etwas mehr als zwei Stunden später dann haben wir uns am Pistyll Rhaeadr, dem Wasserfall, niedergelassen, um das Spektakel zu bewundern. Es sind übrigens auch die höchsten Wasserfälle von Wales, 20 min mit dem Auto von mir entfernt.
An dieser Stelle muss ich leider meine Ausschweifungen unterbrechen. Wir haben schon wieder spät in der Nacht und ich muss morgen den ganzen Tag arbeiten. Zum Glück aber nur einen Tag und ohne Sleep-In!!
Bis bald
ingo
teegernseher82 - 16. Mai, 00:15