Rueckblick: Die Grampians

Bei meinem Abschied aus Deutschland hatte ich den meisten von euch eine lückenlose Berichterstattung versprochen. Dieses Versprechen habe ich nun zum ersten Mal gebrochen, und lange schlaflose Nächte haben mich nun dazu getrieben, Licht ins Dunkel dieses Kapitels meiner Reise zu bringen. Daher berichte ich euch nun von meinen Abenteuern in einem kleinen Gebirge zwischen Adelaide und Melbourne, den Grampians.

Woher dieser Name stammt und warum er nur in der Mehrzahl vorkommt, das fragt ihr bitte euren lokalen Erdkundelehrer (Brigitte, Du hast jetzt noch lange genug Zeit dich schlau zu machen ...) Auf jeden Fall wurde mir eine Stippvisite in diesem Gebirge sehr ans Herz gelegt. Da ich Ratschläge von anderen Reisenden lieber befolge als denen aus irgendwelchen Büchern, habe ich mir diesen zu Herzen genommen und mir für zwei Tage ein Hostelbett in Halls Gap, dem einzigen wirklichen Ort in den Grampians, gemietet.

Die Reise nach Halls Gap war mehr als abenteuerlich. Von adelaide aus gab es keine direkte Verbindung dorthin, noch nicht mal eine Anschlussverbindung. Bei dem Versuch, mich an dem Bus Terminal zu erkundigen wurde mir folgende Reiseroute präsentiert: Ich musste Adelaide abends um 20.15 Uhr verlassen und den Bus in Richtung Melbourne nehmen. Nachts um 3 Uhr hätte ich diesen in einem kleinen Kuhkaff namens Stawell wieder verlassen müssen. Von dort aus hätte ich den einzigen Bus überhaupt am Tag nach Halls Gap nehmen müssen, und zwar um 12 Uhr Mittags.

Nach langer Suche nach anderen Möglichkeiten, dorthin zu gelangen, hab ich schließlich aufgegeben und mich diesem Reiseplan unterworfen, allerdings nicht ohne diesen ein bisschen zu verfeinern. Ich habe den Bus nicht in Stawell verlassen, sondern rund 1,5 h später in Ballarat, dem naechsten größeren Ort. Von dort aus konnte ich dann um 11 Uhr Mittags den Bus nach Stawell zurück nehmen, um dann in die Grampians zu fahren. Das hat sich als weiser Zug heraus gestellt, und zwar aus verschiedenen Gründen:

1.Das Bahnhofscafé in Ballarat hatte schon geöffnet, so konnte ich den vor mir liegenden Tag mit einem angemessenen Frühstück beginnen
2.Am dortigen Bahnhof gab es schließfächer, in denen ich das meiste Gepäck lassen konnte (was in Stawell nicht der Fall war).
3.Die Stadt Ballarat hat erstaunlich viel touristisches Potential zu bieten. So viel auf jeden Fall, dass ich in den 6 Stunden es nicht geschafft habe, mir alles anzuschauen, was interessant gewesen wäre.

Ballarat ist eine der älteren Städte in Australien, das macht sich vor allem durch die vielen viktorianischen Bauten in der Innenstadt bemerkbar. Ballarat hat davon so viele, dass sie Melbourne und anderen großen Städten was davon abgeben könnten und sie hätten immer noch mehr. Im Zwielicht der Morgendämmerung hatten diese Fassaden einen ganz besonderen Reiz und sahen fast schon gespenstisch aus. Ebenso wie von den alten Häusern ist das Stadtbild auch geprägt von breiten Promenaden mit ausgedehnten Grünflächen in der Mitte, auf denen alte Gaslampen, Denkmäler oder „Bandstands“ im chinesischen Stil das Straßenbild prägten.

Mich zog es so früh am morgen aber raus zum Lake Wendouree, einem künstlich angelegten See, der speziell zu den olympischen Spielen 1956 in Melbourne errichtet wurde, um die Rudermeisterschaften abhalten zu können. Der Sonnenaufgang über dem See brachte aber eine andere Wahrheit zum Vorschein:Aufgrund der lang anhaltenden Dürreperiode hat man sich dazu entschlossen, den See wieder zu entwässern, und nur das natürlich durchfließende Wasser darin zu erhalten. So bestand der „See“ hauptsächlich aus Grasflächen, die hier und da mit Tümpeln gespickt waren. Nichtsdestotrotz war dieser „See“ immer noch Heimat unzähliger Vogelarten und ich konnte auch Hasen und Wallabies sichten, die hier im Morgengrauen ihren Durst stillten. Am nördlichen Ende dieses Sees befindet sich der botanische Garten von Ballarat, von dem ich die Ehre hatte an diesem Tag der erste Besucher zu sein. Denn als ob wir uns abgesprochen hatten, öffnete einer der Mitarbeiter das Eingangstor gerade, als ich dort angekommen war. Der Garten dort ist echt schön angelegt, und es macht Spaß, allein am morgen dort her zu wandern.

So ging es den ganzen Vormittag über. Ich fand überall in Ballarat etwas, was mich überrascht hat, sei es der formidable botanische Garten, die natürliche Schönheit dieses „Sees“ (man hatte sich übrigens nicht darum geschert, die Schilder abzumontieren, die man heute immer noch überall entlang des Sees findet und die einem sagen, dass schwimmen in diesem See „nicht empfohlen“ sei) oder die kunstvollen Wandbilder in den Seitengassen der Fußgängerzone. Das eigentliche Wahrzeichen, das „Eureka Memorial“ und Sovereign Hill, welche die Vergangenheit als Kohlebergbaustadt hochhielten, konnte ich mir leider aus Zeitgründen nicht mehr anschauen.

Zurück am Bahnhof ging es fix in den Bus nach Stawell. Dieses Dorf war noch viel kleiner als ich es mir vorgestellt hatte. Zum Glück hatte ich aber nur 10 Minuten zu warten. Ein bisschen komisch fand ich, dass außer mir dort niemand auf den Bus wartete. Da dies ja die einzige Verbindung überhaupt am Tag nach Halls Gap war, hatte ich doch ein bisschen mehr Kunden erwartet. Aber ich war und blieb der einzige Fahrgast, und ich hatte den ganzen Bus für mich. Der Fahrer war ein geselliger Typ und da er auch ein begeisterter Hiker war, kannte er die Gegend wie seine Westentasche und verriet mir einige Walks und hikes, die ich in meinen zwei Tagen in Halls Gap unternehmen sollte. Seine Hilfsbereitschaft war danach kaum noch zu bremsen. In Halls Gap angekommen machte er zunächst kleinere Abstecher von seiner Route, um mir zu zeigen, wo die einzelnen Walks begannen bzw. endeten, und dann noch einen großen Abstecher, um mich als seinen einzigen Fahrgast vor meinem Hostel abzusetzen, welches 3 km ausserhalb des Ortes lag. Danke Bob!

Im Hostel angekommen erwartete mich trotz eines einladend heimelig aussehenden living rooms gähnende Leere. Von der Hauswirtin erfuhr ich, dass ausser mir an diesem Abend nur ein anderes Pärchen übernachten würde, die aber in einem Zweierzimmer schlafen würden. Ich hatte also mein eigenes Zimmer mit meinem eigenen Bad.

Der erste Walk, den Bob mir empfohlen hatte, führte vom nahe gelegenen National Park Visitor Centre entlang eines Baches durch dichten Wald zurück in den Ort Halls Gap. Da ich auf dem weg zurück noch meinen Essensvorrat aufstocken wollte, schien es mir eine gute Idee, den restlichen Nachmittag damit zu verbringen, das Visitor Centre und das Aboriginal Cultural Centre zu besuchen und danach diesen ersten leichten Walk zu walken. Kurz nachdem ich das Visitor Centre hinter mir gelassen hatte gab es die erste Überraschung: Auf einem Parkgelände grasten mehrere Dutzend Känguruhs und – Hirsche! Eine Gruppe von fünf Weißwedelhirschen (für die Ahnungslosen: Bambi ist in der Disney – Verfilmung in Wirklichkeit ein Weißwedelhirsch!) hatte sich unter die Känguruhs gemischt und ließ sich auch von meiner Ankunft beim grasen nicht stören. Die Hirsche, hab ich später erfahren, sind vor mehreren Jahren aus einem Reservat ausgebrochen und haben sich in dieser Gegend seitdem gut vermehrt.

Knapp einen Kilometer weiter gab es die nächste Überraschung: drei Emus grasten ruhig am Wegesrand. Emus machen sehr lustige Geräusche, wenn sie miteinander kommunizieren. Das klingt immer so, als würde gerade ein kleiner Truck an einem vorbei fahren.

Eine kleine Zusammenfassung der Tiere, die ich auf dem weiteren Weg auf den knapp 3 km in den Ort noch gesehen habe: Känguruhs, Wallabies, noch mehr Hirsche, einen Kookaburra (zu deutsch auch „Lachender Hans“) und enorm viele Kakadus. Icngo, dachte ich mir, hier bist Du richtig!

Halls Gap ist ein sehr kleiner Ort mit ca. 300 Einwohnern, der einzig und allein vom Tourismus lebt. Es gibt alleine 4 Hostels und ein knappes Dutzend B&Bs, nicht zu schweigen von den vielen Hotels. Im Winter jedoch wirkt alles ein wenig verschlafen, da die Zahl der Touristen enorm niedrig ist. Genau das, was ich wollte.

Den Abend habe ich mit meinem Buch vor dem Kaminfeuer verbracht. Entspannung hoch drei!

Am nächsten Tag wollte ich mich eigentlich daran machen, den Pinnacle zu erobern, das ist der höchste Berg mit der besten Aussicht in der Nähe von Halls Gap. Leider hat mir das Wetter da insofern einen Strich durch die Rechnung gemacht, dass der Pinnacle komplett in Wolken eingehüllt war und ein Aufstieg sich nicht gelohnt hätte. Deshalb ging es „nur“ auf den Chatauqua Peak, der wesentlich niedriger ist, aber bei dem war nur die absolut oberste Spitze in den Wolken. Der Rundweg entlang den Florence Falls und auf der anderen Seite zurück durch den „botanischen Garten“ (der leider durch Buschfeuer wenige Jahre zuvor völlig zerstört und jetzt gerade wieder aufgeforstet wurde) kostete mich rund 4 Stunden, aber die Flora und Fauna entlang des Weges machte diesen Spaziergang durchaus die Anstrengung Wert. In Halls Gap leben 1000e von den Western Grey Kangaroos. So viele, dass dies eine der wenigen Gebiete in ganz Australien ist, in dem Käguruhs geschossen werden dürfen. Fast überall sonst ist es total verboten, Känguruhs zu jagen.

Am nächsten Tag hieß es schon wieder Abschied nehmen von diesem Wildlife – Paradies. Allerdings fuhr Bob erst um 14.15 Uhr wieder zurück nach Stawell, daher hatte ich den Vormittag noch, um mich an dem nahe gelegenen Stausee einmal umzuschauen. Auf dem Weg dorthin hab ich mich erst einmal gründlich verirrt und kam an dem Town Oval an (ein Oval ist so was wie ein Sportplatz bei uns; Australian Rules Football wird nicht auf einem viereckigen, sondern einem ovalen Spielfeld gespielt). Dort erwarteten mich bereits sieben (!) Emus und ungefähr 30 Känguruhs, welche die frühmorgendliche Dämmerung nutzten, um genügend Futter für den Rest des Tages zu fassen. Dazwischen hoppelten ein paar Wallabies und obendrüber schwebte eine Gruppe Kakadus! Ich wollte diesen Platz eigentlich gar nicht mehr verlassen, und hätte ich nicht schon den Flug nach Tasmanien gebucht gehabt, ich wär sofort da geblieben.

Der See war nicht ganz so spektakulär wie erhofft, aber vielleicht lag das auch nur daran, dass das Erlebnis mit all den Wildtieren kurz zuvor eh alles andere nachfolgende in den Schatten gestellt hätte.

Mit Sack und Pack zog ich zurück in Richtung Ort, wo Bob schon an der Bushaltestelle auf mich wartete. Zeit für nen Kaffee war allerdings noch, und mein Chauffeur wollte natürlich detailgenau wissen, ob ich all seine Ratschläge befolgt habe. Sichtlich zufrieden, dass ich mich an alles gehalten habe (inklusive dem Ratschlag, bei Wolken nicht den Pinnacle zu besteigen) brachte er mich wiederzurück nach Stawell, wo ich sofort den Anschlussbus nach Melbourne nahm.

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