Eine schrecklich nette Familie
Ich sitze gerade in Alice Springs im Hostel und – man mag es kaum glauben – es regnet. Und zwar wie aus Kübeln. Also dachte ich mir Ingo, das ist ein Zeichen dafuer, dass Du mal wieder was schreiben musst. Das Resultat davon bekommt ihr jetzt als detaillierte Beschreibung meiner Reise von Perth nach Alice Springs um die Ohren gehauen, ob ihr wollt oder nicht.
Mein Job in Perth hat nicht wirklich viel Geld eingebracht. Ich konnte davon gerade mein Hostel und meine kulinarischen Necessitäten abdecken. Also musste eine Veränderung her. Ich hatte mich bei einer Bücherei als „Library Service Officer“ beworben, indem ich dort persönlich erschienen war, was auf die anwesende Mitarbeiterin anscheinend schon mal einen positiven Eindruck gemacht hat. Der Unterschied zwischen einem „Librarian“ und einem „Library Service Officer ist“, dass der eine die Bücher verwaltet, die der andere in die Regale einsortiert. Das Problem bei dem Job war nur, dass die Zeit bis zum Ende der Bewerbungsfrist mehr als eine Woche betrug, was wiederum bedeutet, dass ich wahrscheinlich gegen 1.000 residents herausstechen musste. Von der Jobsuche in Perth dermassen enttäuscht habe ich mir geschworen: „Entweder ich krieg diesen Job oder ich hau hier ab!“. Die schlauen unter euch wissen jetzt, welche Möglichkeit von beiden eingetreten ist. Fuer die anderen sei es hier noch mal klar und deutlich gesagt: Ich habe den Job natürlich nicht bekommen.
Also hieß es dann wohl Abschied nehmen von den Menschen, die ich in den 2 1/2 Monaten doch recht lieb gewonnen hatte. Denn in dem Hostel, in dem ich war, gab es erstaunlich viele Leute, die fuer laengere Zeit in Perth geblieben sind. Z.B. habe ich das 6er-Zimmer fast die ganze Zeit mit Marianne, Ceri und Stef bzw. Andy geteilt (Irland, Wales, England, Deutschland), während die anderen zwei Betten immer wechselnd belegt waren. Mit der Zeit sind daraus richtig gute Freundschaften geworden, die (hoffentlich) auch über Australien hinaus bestehen bleiben.
Wenn Reisen, dann aber auf die australische Art, dachte ich mir, als ich den Zug von Perth nach Adelaide gebucht habe. Wo sonst in Europa hat man die Chance, mit einem Zug zwei Tage lang durch die Wueste zu fahren? Die Strecke beträgt etwa 3.000 km und beinhaltet die längste gerade Schienenstrecke der Welt!! Am Sonntag, ziemlich genau um 11.55 Uhr mittags, setzte sich der Koloss in Bewegung. Der Zug bestand aus zwei Teilen, der Gold Class und der Red Kangaroo Class. In der Goldklasse hatte jeder sein eigenes Schlafabteil inkl. Bedienung in der eigenen Kabine. In dem Red Kangaroo Sleeper Abteil sah das schon ein bisschen anders aus, da gab es dann nur noch Snacks im Restaurant und 4er Schlafkabinen, und da wo ich war, der Red Kangaroo Day/Nighter Seat Abteilung, war keinerlei Komfort mehr zu erwarten. Aber trotzdem, oder gerade deswegen, war die Reise zwar lang, aber nicht langweilig. Denn weil diese Klasse so schön billig war, waren die Backpacker hier fast unter sich. Ab und zu waren auch ältere Personen in dem Abteil zu sehen, die das einfache Reisen auch immer noch reizte.
Ich hatte zum Glück einen Zweiersitz für mich alleine, so dass ich ein wenig mehr Bewegungsfreiheit hatte als die meisten anderen. Nach kurzer Zeit bin ich mit den Leuten um mich herum ins Gespräch gekommen, was natürlich total interessant war, weil man sich als Backpacker immer gute Tips geben kann, wie und wohin man reisen sollte und was man lieber lassen sollte. So hab ich mich lange mit Lukas und Caro unterhalten (beide natuerlich, wie so viele Leute hier, Deutsch), und mit einem älteren Herren aus England und einem aus Australien. Letzterer war zuständig für die Unterhaltung einer Website des Tourismusboards. Während der Fahrt kam ihm die Idee, auf seiner Website eine spezielle Rubrik mit Berichten von Backpackern für Backpacker einzurichten, da er mitbekommen hatte, wie nützlich diese Art von Informationsaustausch sein kann. So haben wir lange damit zugebracht, ihn mit Informationen unsererseits zu bestücken, die er mit auf die Website stellen koennte. Dafuer hat er uns viel über Australien erzählen können, denn immer, wenn wir an einer interessanten Stelle unserer Reise angekommen waren, konnten und durften wir ihn mit Fragen löchern und hatten so unseren eigenen Guide während der Fahrt.
Aber bereits kurz nachdem die Fahrt begonnen hatte, wusste ich auch, warum der Zug 2 Tage brauchen würde: 1. Stand der Zug mehr als er fuhr, immer auf einen entgegenkommenden zug auf der eingleisigen Strecke wartend (Güterzüge hatten IMMER Vorrang), und 2. war die Höchstgeschwindigkeit 120 km/h, meistens fuhr der Zug aber immer nur 80. Aber gestört hat das eigentlich nicht, weil wir entweder unsere angeregte Diskussion über Gott und die Welt im Zug fortgeführt hatten, oder ich mich und die Welt um mich herum in einem Buch vergaß (Excuse Me While I Whip This Out von Kinky Friedman. Sehr gutes Buch über „Country singers, Presidents and other Troublemakers“). Am ersten Tag so gegen 23.30 sind wir an unserem ersten dreistündigen Zwischenstop angelangt: Kalgoorlie. Die etwas betuchteren konnten im Zug eine Tour durch Kalgoorlie mitsamt Besichtigung der „Open Pit“, der größten offenen (Gold-)Mine buchen. Da ich das aber schon gesehen hatte und wie die anderen auch kein Geld mehr dafür hatte, haben wir uns gemeinsam dazu entschlossen, etwas schnelles zu Essen zu holen, um die teuren Dinner-Preise im Bordrestaurant zu umgehen. So sind wir alle zu Dominos Pizza gegangen (eine Kette ähnlich wie Pizza Hut die es aber erstaunlicherweise nur in Europa nicht gibt). Danach haben wir noch eine kleine Stadtführung von unserem australischen Freund bekommen. Irgendwann kam die Idee, bei McDonalds noch einen Kaffee zu holen. Das Problem war: Mäckes hatte zwar 24 h geöffnet, aber nur am Drive-In Schalter. Dort angekommen, weigerten sich die Mitarbeiter uns zu bedienen, weil wir nicht in einem fahrbaren Untersatz saßen. Wie bescheuert geht es eigentlich. Das Angebot, dass man uns ein Taxi rufen würde, mit dem wir dann durch den Drive-In-Schalter fahren könnten, haben wir dann „dankend“ abgelehnt. So etwas bescheuertes hab ich selten gehört.
Gegen 2.30 Uhr fuhr der Zug dann langsam wieder an und wiegte uns leise in den Schlaf. So zumindest hätte es sein sollen.Bill Bryson schrieb einmal in seinem Buch „Frühstück mit Känguruhs“ über die Reise mit dem Indian Pacific, dass er sich nicht getraut hatte, in das Day/Nighter Abteil zu gehen, weil die Reisenden dort spätestens am zweiten Tag wie Zombies aussahen. Spätestens jetzt weiß ich, was er damit gemeint hat. Die Beinfreiheit war zwar größer als im Flugzeug normalerweise, aber gemütlicher machte es den Sitz zum Schlafen trotzdem nicht. In der ersten Nacht habe ich vielleicht drei Stunden geschlafen, könnten auch weniger gewesen sein.
Jeder, der schon einmal in einem Filmmuseum oder dem Bavaria Filmpark oder etwas ähnlichem gewesene ist, der weiss, wie man früher im Film Zugfahrten simuliert hat: Man hat Leinwandrollen mit Landschaftsbildern hinter den Fenstern platziert, die so abgerollt wurden, dass es so aussah, als ob der Zug wirklich fahren würde. Am nächsten Tag kam ich mir so vor, als ob jemand immer wieder dieselbe Rolle an unserem Fenster abspielen würde. Wir waren in der Nullarbor Plain angekommen, Australiens große Steppe, die den Südwesten vom Südosten teilt. Sie erstreckt sich über mehrere 1.000 km von West nach Ost und mehrere 100 km von Nord nach Süd. Nullarbor kommt aus dem Niederländischen, da die Holländer zuerst Fuß auf dieses Stück Ödnis gesetzt haben. Kein Wunder, möchte man sagen, alles was hier wächst ist Gras, aber dieser Witz ist wirklich zu flach. Für die Ungebildeten unter euch: Arbor heißt Baum, und Null heißt ... Null. Um es kurz zu fassen: Kein Haus, kein Baum, ab und zu mal ein Strauch, und das für die nächsten 1000 km. Und ungefähr hier fing dann auch die längste gerade Schienenstrecke der Welt an.
Am Nachmittag desselben Tages kamen wir in Cook an, einer Geisterstadt genau in der Mitte der Steppe. Von hier aus wurde die Eisenbahnlinie in beide Richtungen gebaut. Als diese aber fertig war, wurde dieser Ort rasch entvölkert, weil es für die meisten keine Arbeit mehr gab. Diejenigen, die zunächst da blieben um die Strecke instand halten zu können, haben diesen Ort, der einst zu blühen schien mit einer Schule, einem Krankenhaus, einem Schwimmbacken und sogar einem Basketballfeld, auch verlassen. Nur noch vier Personen leben hier, sie kümmern sich um die hunderte von Passagieren, die 4x pro Woche vorbei kommen und sich in dem einzigen noch intakten öffentlichen Gebäude, dem Souvenirshop, mit (Über-)Lebensmitteln und Tand bereichern wollen. Ansonsten verbrachten wir die Zeit damit, die Ruinen von Cook zu betrachten. Wahrscheinlich in den letzten Tagen der Besiedelung von Cookwurde an die Aussenwand des Hospitals ein Spruch verewigt, der die Lage dieser Stadt wiedergab: „Our Hospital needs your help: Get Sick!“ stand dort in großen Lettern.
Nach einer Dreiviertelstunde war aber auch dieses Outback-Erlebnis wieder vorbei, und die Sirene des Zugs ließ alle Passagiere wieder in ihre Abteilungen strömen.
Kurze Zeit später ist Sonja aus München noch zu unserem kleinen Grüppchen dazu gestoßen, womit wir nun schon vier kleine deutsche Backpacker in der riesigen Steppe waren. Wir vier hatten uns gesucht und gefunden, denn schon bald hatten sich die Familienverhältnisse herauskristallisiert: Sonja und ich waren Papa und Mama (wir waren die älteren), während Lukas und Caro die Rollen von Kind und Oma angenommen hatten. Während so einer Zugfahrt kommt man auf sehr bescheuerte Ideen!
Die zweite Nacht im Zug war dann zwar etwas länger, aber auch nicht wirklich erholsam. Um halb sieben klingelte der Handywecker, was mir gerade noch Zeit für ein kurzes Frfühstück und einen Kaffee gab. Erst nach dem Kaffee allerdings ist mir die veränderte Leinwandrolle vor den Fenstern aufgefallen. Jemand hatte die mit Gras- und Steppenlandschaft gegen eine mit Häusern und kleinen Gärten und vor allem Bäumen drauf eingetauscht. Wir hatten in der Nacht die Nullarbor Plain hinter uns gelassen und befanden uns bereits in den Suburbs von Adelaide. Um Punkt 7.20, also genau nach Fahrplan, rollte der Indian Pacific majestätisch in den Bahnhof von Adelaide ein. Wenige ganz abenteuerliche Reisende, unter anderem auch unser australischer Freund, blieben sitzen, um noch weitere 24 Stunden in diesem zug bis nach Sydney zu fahren, die meisten waren aber glücklich, endlich aussteigen zu können.
Eigentlich wollten wir in die Stadt laufen und uns gemeinsam ein Hostel für die nächsten zwei Tage suchen, aber da stolperten wir bereits auf dem Parkplatz über einen Shuttle Bus des Backpacker Inn Hostels. Der Fahrer meinte, gerade heute würde ein komplettes Viererzimmer frei, das incl. Frühstück jeden von uns 24 Dollar pro Nacht kosten würde. Das hörte sich ganz nach dem an, was wir suchten, also ließen wir uns von ihm in die Stadt zum Hostel bringen.
Das Hostel war angenehm weil relativ klein und sauber. Es wurde von drei älteren Herren geführt, die sich damit allesamt etwas zu ihrer Pension dazuverdienen wollten. Das Zimmer war sauber und die Küche und sanitären Anlagen sahen einigermaßen gepflegt aus. Zudem war es in Laufdistanz von der City und der Fussgängerzone. Leider mussten wir allerdings ncoh 2 Stunden warten, bis wir einchecken konnten, da Check-In erst ab 10 am möglich war. Die Zeit verbrachten wir damit, einen Bankautomaten zu suchen und in einem Café zu frühstücken, das mit einem ähnlich intelligenten Spruch warb wie das Hospital in Cook („Come and buy your lunch HERE, we need the money! :) ). Dann ging es auf Erkundungstour durch den Central Market. Das muss man sich vorstellen wie eine Markthalle in Deutschland, vielleicht mit ein bisschen weniger ausgefallenen Spezialitäten, dafür aber mit leckersten Lebensmitteln aller Art. Lukas hatte versprochen, uns am Abend ein Kokos-Curry zu kochen, wofür wir uns hier und im angrenzenden Coles-Supermarkt wappneten.
Punkt 10 Uhr standen wir beim Hostel auf der Matte, weil wir es alle nicht erwarten konnten, endlich ins Bett zu gehen und ne Runde zu ratzen. Den Rest des Tages haben wir damit verbracht, noch mal in den Market zu gehen und ansonsten Filme anzuschauen, weil keiner mehr Elan hatte für mehr.
Am nächsten Tag waren wir nur noch zu dritt, da Lukas, unser verrücktes Kind, wieder zum Zug musste, diesmal „nur“ 24 Stunden mit dem „The Ghan“ Zug nach Alice Springs. Oma, Mama und ich hingegen haben uns im botanischen Garten an einem Kaffee und den vielen Tier- und Pflanzenarten erlabt, bevor wir am späten Nachmittag im Hostel bzw. Oma im Fitness-Studio landeten (Warum Caro als jüngste die Oma war, weiß allerdings keiner mehr).
Am nächsten morgen war ich der nächste, der weiter musste. Mama und Oma hatten sich dazu entschlossen, ihre Reise gemeinsam in Richtung Melbourne und Tasmanien fortzusetzen, aber noch nicht an dem Tag. Ich hingegen musste mich erst Richtung Airport und dann Alice Springs verabschieden (ich muss ja schauen was der Sohnemann so treibt J). Das lustige an der ganzen Angelegenheit war, dass ich zwar einen Tag später als Lukas los geflogen bin, aber trotzdem drei Stunden vor ihm da war (er hatte sich ja für den Zug entschieden).
Am Schalter von Tiger Air angekommen, merkte ich erst einmal,. Dass mein Gepäck 3 kg zu schwer war, und ich nachzahlen musste. 45 Dollar!! Naja egal. Ansonsten hätte ich mein Schnrochelset wegschmeissen müssen, und das hat mich noch mehr gekostet. Der Flug verging wie im Flug und schon war ich in Alice gelandet. Auf dem Airport hatte ich erst mal einen Hitzeschock, da sich die Temperaturen an der Küste schon ein wenig gesenkt hatten, im Herzen Australiens waren sie aber immer noch so hoch wie zuvor.
Kurz nach meiner Ankunft in Alice hatte ich dann ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Christian, mein alter Kumpane von der Westküste, war hier inzwischen auch angekommen und hatte bereits Platz in einer WG gefunden, zusammen mit Eike, einem anderen gemeinsamen Kumpel mit dem ich in Perth im Hostel zusammen gelebt habe, und einem Koreaner. Ausserdem arbeitet Ceri (mit der ich in einem Zimmer gewohnt hab die meiste Zeit in Perth über) auf einer Cattle Station unweit von Alice. Australien kann so verdammt klein sein wenn es will.
Heute habe ich mich erst mal bei einer Job Agency beworben. Die haben gemeint, dass es hier gerade für Sozialarbeiter viel Arbeit gibt, hauptsächlich in Zusammenhang mit Aborigines. Das würde mich schon extrem reizen, in dieses Arbeitsfeld mal reinzuschnuppern. Fingers crossed!
Das war mal wieder ein langes update. Falls ich ab und an mal die Umlaute falsch schreibe, sei es mir vergeben. Ich tippe zwar gerade auf meinem eigenen Computer, habe aber das ae und oe und ue schon so drin, dass ich es nicht so schnell abstellen kann (und ich bin grad zu faul, die kompletten 4 Seiten Fehler zu lesen).
Lasst’s euch gut gehen!
Der Papa.
P.S.: Ein neues Bilderalbum gibt es natuerlich auch zu bestaunen: Indian Pacific and Adelaide
Mein Job in Perth hat nicht wirklich viel Geld eingebracht. Ich konnte davon gerade mein Hostel und meine kulinarischen Necessitäten abdecken. Also musste eine Veränderung her. Ich hatte mich bei einer Bücherei als „Library Service Officer“ beworben, indem ich dort persönlich erschienen war, was auf die anwesende Mitarbeiterin anscheinend schon mal einen positiven Eindruck gemacht hat. Der Unterschied zwischen einem „Librarian“ und einem „Library Service Officer ist“, dass der eine die Bücher verwaltet, die der andere in die Regale einsortiert. Das Problem bei dem Job war nur, dass die Zeit bis zum Ende der Bewerbungsfrist mehr als eine Woche betrug, was wiederum bedeutet, dass ich wahrscheinlich gegen 1.000 residents herausstechen musste. Von der Jobsuche in Perth dermassen enttäuscht habe ich mir geschworen: „Entweder ich krieg diesen Job oder ich hau hier ab!“. Die schlauen unter euch wissen jetzt, welche Möglichkeit von beiden eingetreten ist. Fuer die anderen sei es hier noch mal klar und deutlich gesagt: Ich habe den Job natürlich nicht bekommen.
Also hieß es dann wohl Abschied nehmen von den Menschen, die ich in den 2 1/2 Monaten doch recht lieb gewonnen hatte. Denn in dem Hostel, in dem ich war, gab es erstaunlich viele Leute, die fuer laengere Zeit in Perth geblieben sind. Z.B. habe ich das 6er-Zimmer fast die ganze Zeit mit Marianne, Ceri und Stef bzw. Andy geteilt (Irland, Wales, England, Deutschland), während die anderen zwei Betten immer wechselnd belegt waren. Mit der Zeit sind daraus richtig gute Freundschaften geworden, die (hoffentlich) auch über Australien hinaus bestehen bleiben.
Wenn Reisen, dann aber auf die australische Art, dachte ich mir, als ich den Zug von Perth nach Adelaide gebucht habe. Wo sonst in Europa hat man die Chance, mit einem Zug zwei Tage lang durch die Wueste zu fahren? Die Strecke beträgt etwa 3.000 km und beinhaltet die längste gerade Schienenstrecke der Welt!! Am Sonntag, ziemlich genau um 11.55 Uhr mittags, setzte sich der Koloss in Bewegung. Der Zug bestand aus zwei Teilen, der Gold Class und der Red Kangaroo Class. In der Goldklasse hatte jeder sein eigenes Schlafabteil inkl. Bedienung in der eigenen Kabine. In dem Red Kangaroo Sleeper Abteil sah das schon ein bisschen anders aus, da gab es dann nur noch Snacks im Restaurant und 4er Schlafkabinen, und da wo ich war, der Red Kangaroo Day/Nighter Seat Abteilung, war keinerlei Komfort mehr zu erwarten. Aber trotzdem, oder gerade deswegen, war die Reise zwar lang, aber nicht langweilig. Denn weil diese Klasse so schön billig war, waren die Backpacker hier fast unter sich. Ab und zu waren auch ältere Personen in dem Abteil zu sehen, die das einfache Reisen auch immer noch reizte.
Ich hatte zum Glück einen Zweiersitz für mich alleine, so dass ich ein wenig mehr Bewegungsfreiheit hatte als die meisten anderen. Nach kurzer Zeit bin ich mit den Leuten um mich herum ins Gespräch gekommen, was natürlich total interessant war, weil man sich als Backpacker immer gute Tips geben kann, wie und wohin man reisen sollte und was man lieber lassen sollte. So hab ich mich lange mit Lukas und Caro unterhalten (beide natuerlich, wie so viele Leute hier, Deutsch), und mit einem älteren Herren aus England und einem aus Australien. Letzterer war zuständig für die Unterhaltung einer Website des Tourismusboards. Während der Fahrt kam ihm die Idee, auf seiner Website eine spezielle Rubrik mit Berichten von Backpackern für Backpacker einzurichten, da er mitbekommen hatte, wie nützlich diese Art von Informationsaustausch sein kann. So haben wir lange damit zugebracht, ihn mit Informationen unsererseits zu bestücken, die er mit auf die Website stellen koennte. Dafuer hat er uns viel über Australien erzählen können, denn immer, wenn wir an einer interessanten Stelle unserer Reise angekommen waren, konnten und durften wir ihn mit Fragen löchern und hatten so unseren eigenen Guide während der Fahrt.
Aber bereits kurz nachdem die Fahrt begonnen hatte, wusste ich auch, warum der Zug 2 Tage brauchen würde: 1. Stand der Zug mehr als er fuhr, immer auf einen entgegenkommenden zug auf der eingleisigen Strecke wartend (Güterzüge hatten IMMER Vorrang), und 2. war die Höchstgeschwindigkeit 120 km/h, meistens fuhr der Zug aber immer nur 80. Aber gestört hat das eigentlich nicht, weil wir entweder unsere angeregte Diskussion über Gott und die Welt im Zug fortgeführt hatten, oder ich mich und die Welt um mich herum in einem Buch vergaß (Excuse Me While I Whip This Out von Kinky Friedman. Sehr gutes Buch über „Country singers, Presidents and other Troublemakers“). Am ersten Tag so gegen 23.30 sind wir an unserem ersten dreistündigen Zwischenstop angelangt: Kalgoorlie. Die etwas betuchteren konnten im Zug eine Tour durch Kalgoorlie mitsamt Besichtigung der „Open Pit“, der größten offenen (Gold-)Mine buchen. Da ich das aber schon gesehen hatte und wie die anderen auch kein Geld mehr dafür hatte, haben wir uns gemeinsam dazu entschlossen, etwas schnelles zu Essen zu holen, um die teuren Dinner-Preise im Bordrestaurant zu umgehen. So sind wir alle zu Dominos Pizza gegangen (eine Kette ähnlich wie Pizza Hut die es aber erstaunlicherweise nur in Europa nicht gibt). Danach haben wir noch eine kleine Stadtführung von unserem australischen Freund bekommen. Irgendwann kam die Idee, bei McDonalds noch einen Kaffee zu holen. Das Problem war: Mäckes hatte zwar 24 h geöffnet, aber nur am Drive-In Schalter. Dort angekommen, weigerten sich die Mitarbeiter uns zu bedienen, weil wir nicht in einem fahrbaren Untersatz saßen. Wie bescheuert geht es eigentlich. Das Angebot, dass man uns ein Taxi rufen würde, mit dem wir dann durch den Drive-In-Schalter fahren könnten, haben wir dann „dankend“ abgelehnt. So etwas bescheuertes hab ich selten gehört.
Gegen 2.30 Uhr fuhr der Zug dann langsam wieder an und wiegte uns leise in den Schlaf. So zumindest hätte es sein sollen.Bill Bryson schrieb einmal in seinem Buch „Frühstück mit Känguruhs“ über die Reise mit dem Indian Pacific, dass er sich nicht getraut hatte, in das Day/Nighter Abteil zu gehen, weil die Reisenden dort spätestens am zweiten Tag wie Zombies aussahen. Spätestens jetzt weiß ich, was er damit gemeint hat. Die Beinfreiheit war zwar größer als im Flugzeug normalerweise, aber gemütlicher machte es den Sitz zum Schlafen trotzdem nicht. In der ersten Nacht habe ich vielleicht drei Stunden geschlafen, könnten auch weniger gewesen sein.
Jeder, der schon einmal in einem Filmmuseum oder dem Bavaria Filmpark oder etwas ähnlichem gewesene ist, der weiss, wie man früher im Film Zugfahrten simuliert hat: Man hat Leinwandrollen mit Landschaftsbildern hinter den Fenstern platziert, die so abgerollt wurden, dass es so aussah, als ob der Zug wirklich fahren würde. Am nächsten Tag kam ich mir so vor, als ob jemand immer wieder dieselbe Rolle an unserem Fenster abspielen würde. Wir waren in der Nullarbor Plain angekommen, Australiens große Steppe, die den Südwesten vom Südosten teilt. Sie erstreckt sich über mehrere 1.000 km von West nach Ost und mehrere 100 km von Nord nach Süd. Nullarbor kommt aus dem Niederländischen, da die Holländer zuerst Fuß auf dieses Stück Ödnis gesetzt haben. Kein Wunder, möchte man sagen, alles was hier wächst ist Gras, aber dieser Witz ist wirklich zu flach. Für die Ungebildeten unter euch: Arbor heißt Baum, und Null heißt ... Null. Um es kurz zu fassen: Kein Haus, kein Baum, ab und zu mal ein Strauch, und das für die nächsten 1000 km. Und ungefähr hier fing dann auch die längste gerade Schienenstrecke der Welt an.
Am Nachmittag desselben Tages kamen wir in Cook an, einer Geisterstadt genau in der Mitte der Steppe. Von hier aus wurde die Eisenbahnlinie in beide Richtungen gebaut. Als diese aber fertig war, wurde dieser Ort rasch entvölkert, weil es für die meisten keine Arbeit mehr gab. Diejenigen, die zunächst da blieben um die Strecke instand halten zu können, haben diesen Ort, der einst zu blühen schien mit einer Schule, einem Krankenhaus, einem Schwimmbacken und sogar einem Basketballfeld, auch verlassen. Nur noch vier Personen leben hier, sie kümmern sich um die hunderte von Passagieren, die 4x pro Woche vorbei kommen und sich in dem einzigen noch intakten öffentlichen Gebäude, dem Souvenirshop, mit (Über-)Lebensmitteln und Tand bereichern wollen. Ansonsten verbrachten wir die Zeit damit, die Ruinen von Cook zu betrachten. Wahrscheinlich in den letzten Tagen der Besiedelung von Cookwurde an die Aussenwand des Hospitals ein Spruch verewigt, der die Lage dieser Stadt wiedergab: „Our Hospital needs your help: Get Sick!“ stand dort in großen Lettern.
Nach einer Dreiviertelstunde war aber auch dieses Outback-Erlebnis wieder vorbei, und die Sirene des Zugs ließ alle Passagiere wieder in ihre Abteilungen strömen.
Kurze Zeit später ist Sonja aus München noch zu unserem kleinen Grüppchen dazu gestoßen, womit wir nun schon vier kleine deutsche Backpacker in der riesigen Steppe waren. Wir vier hatten uns gesucht und gefunden, denn schon bald hatten sich die Familienverhältnisse herauskristallisiert: Sonja und ich waren Papa und Mama (wir waren die älteren), während Lukas und Caro die Rollen von Kind und Oma angenommen hatten. Während so einer Zugfahrt kommt man auf sehr bescheuerte Ideen!
Die zweite Nacht im Zug war dann zwar etwas länger, aber auch nicht wirklich erholsam. Um halb sieben klingelte der Handywecker, was mir gerade noch Zeit für ein kurzes Frfühstück und einen Kaffee gab. Erst nach dem Kaffee allerdings ist mir die veränderte Leinwandrolle vor den Fenstern aufgefallen. Jemand hatte die mit Gras- und Steppenlandschaft gegen eine mit Häusern und kleinen Gärten und vor allem Bäumen drauf eingetauscht. Wir hatten in der Nacht die Nullarbor Plain hinter uns gelassen und befanden uns bereits in den Suburbs von Adelaide. Um Punkt 7.20, also genau nach Fahrplan, rollte der Indian Pacific majestätisch in den Bahnhof von Adelaide ein. Wenige ganz abenteuerliche Reisende, unter anderem auch unser australischer Freund, blieben sitzen, um noch weitere 24 Stunden in diesem zug bis nach Sydney zu fahren, die meisten waren aber glücklich, endlich aussteigen zu können.
Eigentlich wollten wir in die Stadt laufen und uns gemeinsam ein Hostel für die nächsten zwei Tage suchen, aber da stolperten wir bereits auf dem Parkplatz über einen Shuttle Bus des Backpacker Inn Hostels. Der Fahrer meinte, gerade heute würde ein komplettes Viererzimmer frei, das incl. Frühstück jeden von uns 24 Dollar pro Nacht kosten würde. Das hörte sich ganz nach dem an, was wir suchten, also ließen wir uns von ihm in die Stadt zum Hostel bringen.
Das Hostel war angenehm weil relativ klein und sauber. Es wurde von drei älteren Herren geführt, die sich damit allesamt etwas zu ihrer Pension dazuverdienen wollten. Das Zimmer war sauber und die Küche und sanitären Anlagen sahen einigermaßen gepflegt aus. Zudem war es in Laufdistanz von der City und der Fussgängerzone. Leider mussten wir allerdings ncoh 2 Stunden warten, bis wir einchecken konnten, da Check-In erst ab 10 am möglich war. Die Zeit verbrachten wir damit, einen Bankautomaten zu suchen und in einem Café zu frühstücken, das mit einem ähnlich intelligenten Spruch warb wie das Hospital in Cook („Come and buy your lunch HERE, we need the money! :) ). Dann ging es auf Erkundungstour durch den Central Market. Das muss man sich vorstellen wie eine Markthalle in Deutschland, vielleicht mit ein bisschen weniger ausgefallenen Spezialitäten, dafür aber mit leckersten Lebensmitteln aller Art. Lukas hatte versprochen, uns am Abend ein Kokos-Curry zu kochen, wofür wir uns hier und im angrenzenden Coles-Supermarkt wappneten.
Punkt 10 Uhr standen wir beim Hostel auf der Matte, weil wir es alle nicht erwarten konnten, endlich ins Bett zu gehen und ne Runde zu ratzen. Den Rest des Tages haben wir damit verbracht, noch mal in den Market zu gehen und ansonsten Filme anzuschauen, weil keiner mehr Elan hatte für mehr.
Am nächsten Tag waren wir nur noch zu dritt, da Lukas, unser verrücktes Kind, wieder zum Zug musste, diesmal „nur“ 24 Stunden mit dem „The Ghan“ Zug nach Alice Springs. Oma, Mama und ich hingegen haben uns im botanischen Garten an einem Kaffee und den vielen Tier- und Pflanzenarten erlabt, bevor wir am späten Nachmittag im Hostel bzw. Oma im Fitness-Studio landeten (Warum Caro als jüngste die Oma war, weiß allerdings keiner mehr).
Am nächsten morgen war ich der nächste, der weiter musste. Mama und Oma hatten sich dazu entschlossen, ihre Reise gemeinsam in Richtung Melbourne und Tasmanien fortzusetzen, aber noch nicht an dem Tag. Ich hingegen musste mich erst Richtung Airport und dann Alice Springs verabschieden (ich muss ja schauen was der Sohnemann so treibt J). Das lustige an der ganzen Angelegenheit war, dass ich zwar einen Tag später als Lukas los geflogen bin, aber trotzdem drei Stunden vor ihm da war (er hatte sich ja für den Zug entschieden).
Am Schalter von Tiger Air angekommen, merkte ich erst einmal,. Dass mein Gepäck 3 kg zu schwer war, und ich nachzahlen musste. 45 Dollar!! Naja egal. Ansonsten hätte ich mein Schnrochelset wegschmeissen müssen, und das hat mich noch mehr gekostet. Der Flug verging wie im Flug und schon war ich in Alice gelandet. Auf dem Airport hatte ich erst mal einen Hitzeschock, da sich die Temperaturen an der Küste schon ein wenig gesenkt hatten, im Herzen Australiens waren sie aber immer noch so hoch wie zuvor.
Kurz nach meiner Ankunft in Alice hatte ich dann ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Christian, mein alter Kumpane von der Westküste, war hier inzwischen auch angekommen und hatte bereits Platz in einer WG gefunden, zusammen mit Eike, einem anderen gemeinsamen Kumpel mit dem ich in Perth im Hostel zusammen gelebt habe, und einem Koreaner. Ausserdem arbeitet Ceri (mit der ich in einem Zimmer gewohnt hab die meiste Zeit in Perth über) auf einer Cattle Station unweit von Alice. Australien kann so verdammt klein sein wenn es will.
Heute habe ich mich erst mal bei einer Job Agency beworben. Die haben gemeint, dass es hier gerade für Sozialarbeiter viel Arbeit gibt, hauptsächlich in Zusammenhang mit Aborigines. Das würde mich schon extrem reizen, in dieses Arbeitsfeld mal reinzuschnuppern. Fingers crossed!
Das war mal wieder ein langes update. Falls ich ab und an mal die Umlaute falsch schreibe, sei es mir vergeben. Ich tippe zwar gerade auf meinem eigenen Computer, habe aber das ae und oe und ue schon so drin, dass ich es nicht so schnell abstellen kann (und ich bin grad zu faul, die kompletten 4 Seiten Fehler zu lesen).
Lasst’s euch gut gehen!
Der Papa.
P.S.: Ein neues Bilderalbum gibt es natuerlich auch zu bestaunen: Indian Pacific and Adelaide
teegernseher82 - 13. Mär, 10:43