Äh ja. Es ist mal wieder länger nichts neues geschrieben worden. Aber diesmal habe ich eine wirklich gute Entschuldigung. Ich hatte meinen zehnseitinge Schottland-Bericht schon fast fertig, als mein kleiner Computer den Geist aufgegeben hat. Er zeigt mir nur noch einen schwarz-weißen Bildschirm, und das sogar konsequent: die eine Hälfte ist schwarz, die andere ist weiß. Da ich auch kein Backup gemacht habe, muss ich jetzt warten bis er wieder funktionsfähig ist.
Aber es gibt auch wieder Neuigkeiten: am 1. Oktober ziehe ich wieder um. Ich habe ein Zimmer in einer WG (diesmal ist es wirklich eine WG, nicht nur "Wohnen bei der Vermieterin) näher an der Stadt bekommen. Das Haus ist gerade renoviert worden und meine Mitbewohner sind ein Engländer und ein Franzose. Beide scheinen ein bisschen jünger als ich zu sein und scheinen nett zu sein. Adresse gibt es auf Anfrage!
Bis bald
Ingo
teegernseher82 - 24. Sep, 22:14
Wenn ich verreise, dann geht nie alles nach Plan. Wenn man von dem Prozentsatz aller Reisen im Allgemeinen ausgeht, können alle anderen Reisenden davon ausgehen, dass ihre Reise ohne Schwierigkeiten verläuft, denn einzig und allein ich bin es , der den Prozentsatz aller Pannen auf das Niveau hebt, auf dem es ist. Ausgenommen von dieser Annahme sind natürlich jene Reisende, die mit mir in einem Boot, Bus , Zug oder Flugzeug sitzen. Und das ist die Wahrheit (wenn auch sehr subjektiv)!
Vor ein paar Wochen zum Beispiel war ich beruflich in dem Marktflecken Whitchurch in Shropshire unterwegs. Ich verdinge (fast) meinen Unterhalt zur Zeit als Testkäufer für verschiedene Firmen, und hatte den Auftrag, einen dortigen Baumarkt näher unter die Lupe zu nehmen. Leider bin ich, seitdem mein Auto im letzten Dezember von mir gegangen ist, auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Das schont zwar die Umwelt, aber nicht meine Nerven.
Als ich mit meinem Besuch bei besagtem Baumarkt fertig war, dräute schon die Dämmerung und ich musste mich beeilen, um den letzten Bus nach Shrewsbury zu erreichen. Letzteres war allerdings völlig umsonst.
Um 18.20 Uhr war ich an der Bushaltestelle, um 18.30 Uhr sollte der Bus abfahren. Mit mir haben noch zwei andere Leute auf den Bus gewartet, die aber “nur” in die umliegenden Dörfer kommen mussten, während meine Fahrt ungefähr 1,5 Stunden dauern würde.
Um 19. 00 Uhr standen wir immer noch an der Haltestelle, und mir wurde es langsam zu bunt. In Großbritannien gibt es die sogenannten Traveline - Hotlines, die man anrufen kann, um zu erfahren, wo denn der sehnsüchtig erwartete Zug oder Bus gerade steckt. Dort habe ich dann erfahren, dass der Bus auf dem Weg von Shrewsbury nach Whitchurch in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist, und wir uns alle um alternative Reisemethoden kümmern sollten, da es laut der Betreibergesellschaft Arriva West Midlands keinen Ersatzbus geben würde. Außerdem wurde mir am Telefon klar gemacht, dass man nicht wüsste, ob es dafür eine Rückerstattung geben würde.#
Zum Glück gibt es aber noch eine Bahnlinie zwischen Whitchurch und Shrewsbury. Nur leider ist a) der Bahnhof am anderen Ende des Ortes und b) fährt der Zug nur alle zwei Stunden. Ein Blick auf den (netterweise an der Bushaltestelle aushängenden) Zugfahrplan verriet mir, dass ich 15 Minuten Zeit hatte, den Zug zu erwischen. Erschwerenderweise kam hinzu, dass ich im Baumarkt als Testkauf 5 Kilo Katzenfutter erworben hatte (für die Katzen meiner Ex-Vermieter, nicht für mich). Also rannte ich im Dauerlauf mit 5 Kilo Katzenfutter im Rucksack durch den Ort zum Bahnhof, der übrigens direkt neben dem Baumarkt lag.
Heute (d. 03.04.2011, d. Verf.) war das mit den Reisemissgeschicken nicht anders. Wenn ich nach Deutschland fliege, um meine Eltern oder Freunde zu besuchen, dann beinhaltet die Reiseroute normalerweise (und damit meine ich “nach Plan”; ein normalerweise gibt es normalerweise nicht, denn eigentlich kommt immer etwas dazwischen, wie z.B. ein dreitägiger Flughafenaufenthalt im letzten Dezember) eine direkte Zugfahrt von Shrewsbury nach Birmingham Airport. Heute war das, wie zu erwarten, anders.
Es begann damit, dass ich vor meiner Reise im Internet herausgefunden habe, dass London Midlands, eine der beiden Betreibergesellschaften auf dieser Strecke, heute keinen Service auf dieser Strecke anbieten würde, da keine Fahrer zur Verfügung standen. Die Umstände waren recht kurios: London Midlands (die übrigens relativ viele Strecken in Mittelengland befahren), haben ihre Lokführer nicht per Verrag zur Sonntagsarbeit verpflichtet, sondern immer darauf gebaut, dass sich Leute gedacht haben “komm, bevor ich jetzt den ganzen Tag mit meiner Frau verbringen muss, fahr ich lieber Zug”. Bisher, so hieß es in der offiziellen Erklärung von London Midlands, sei man mit diesem freiwilligen Belegungsplan gut zurecht gekommen und dies wäre das erste Mal, dass der Plan nicht aufgehen würde. Das stimmte so natürlich nicht ganz, denn es war ähnlich an den drei vorhergegangenen Sonntagen. Was London Midlands in der Erklärung aber verschwiegen hat, ist, dass es einen Grund für diese Art “Streik” gab: weil der Wochenendbelegungsplan bisher auf Freiwilligkeit basierte, sah man sich bisher in der Chefetage nicht dazu gezwungen, angepasste Wochenendlöhne zu zahlen, frei nach dem Motto “wenn der eine keinen Bock hat für den normalen Lohn zu fahren, macht es halt ein anderer.“. Eigentlich hätte die obige Mitteilung lauten müssen “Bisher haben wir immer einen dummen gefunden, der sich auf unsere Dumpinglöhne eingelassen hat.“ Es mutet schon etwas komisch an, dass eine Zuggesellschaft, die regelmäßige Sonntagsverbindungen in ganz Mittelengland anbietet, es dem Zufall überlässt, ob die Lokführer gerade Zeit und Lust haben, für Niedriglöhne Überstunden zu schieben.
Aber ich schweife ab. Ein weiter Blick auf die Verbindungen der zweiten Zuggesellschaft, Arriva Trains Wales, brachte noch desaströsere Aussichten auf den Plan: zwischen Telford (Shropshire) und Wolverhampton (West Midlands) wurden die Gleise erneuert. Meine neue Reiseroute lautete nun:
Shrewsbury ab: 13:32 (mit Zug)
Telford Central an 13:55
Telford Central ab: 14:05 (mit Ersatzbus)
Wolverhampton an:: 14:40
Wolverhampton ab: 14:51 (mit Zug)
Birmingham Airport an: 15:30.
An dieser Stelle sei erwähnt - ohne einen Zusammenhang implizieren zu wollen - dass Arriva Trains Wales der Deutschen Bahn AG gehört.
Diese Änderungen hatten zur Folge, dass ich eine Stunde früher losfahren musste, als ich eigentlich vor hatte. Das hat meinen Zeitplan natürlich völlig durcheinandergeworfen, und außerdem hatte ich in meiner Hektik vergessen, dass Sonntag war, und die Busse daher nicht so oft fahren als sonst. Natürlich ist mir das erst eingefallen, als das Kind schon im Brunnen lag. Mein netter Mitbewohner Andy, den ich sonst um Hilfe gebeten hätte, war leider gerade aushäusig, also bat ich meine nicht so nette Vermieterin, ob sie mich schnell zum Bahnhof bringen könnte, ich würde sonst meinen Flug verpassen. Nein, das könnte sie nicht, meinte sie, denn schließlich müsse sie ihren Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten (sie war Lehrerin für Vorschüler), und da könne sie nicht mal eben schnell zum Bahnhof fahren, ich solle mir ein Taxi rufen. Natürlich waren alle Taxen unterwegs und ich würde erst eins in 20 Minuten bekommen können. Das wäre natürlich schon viel zu spät gewesen. Glücklicherweise kam Andy gerade zurück, und ich klagte ihm mein Leid. Natürlich würde er mich schnell hinfahren, kein Problem.
Der Bahnhof war 7 Minuten mit dem Auto von uns entfernt. Die kann man natürlich nicht erübrigen, wenn man Unterricht für den nächsten Tag vorzubereiten hat.
Im Bahnhof habe ich dann dank Andys Hilfe meinen Zug noch bekommen und war pünktlich unterwegs. Bis Wolverhampton lief auch alles glatt. Dann allerdings war die Hölle los. Der Zug zum Flughafen war hoffnungslos überfüllt, wir standen wie die Ölsardinen im Gang. Ab Birmingham New Street Station konnte man sich dann wenigstens im Gang hinsetzen. Aber es waren ja nur 40 Minuten Fahrt.
Am Flughafen angekommen hatte ich noch etwas zu erledigen: einen beruflichen Besuch in einem Coffee Shop. Es gibt Momente, in denen ich meinen “Beruf” liebe, z.B. dann, wenn ich einen Kaffee trinken gehen kann und dafür bezahlt werde.
Eine Viertelstunde bevor wir eigentlich fliegen sollten, bahnte sich schlimmes an. Das Wetter war den ganzen Tag über super gewesen, aber je näher der Start rückte, desto näher kam auch ein Gewittersturm von Osten - Murphy’s Gesetz sei dank. Unser Flugzeug kam zwar aus Belfast und somit aus Westen, musste aber wohl in der Warteschleife über dem Flughafen kreisen, so dass wir erst 15 Minuten vor dem eigentlichen Abflug boarden konnten, und der Sturm kam immer näher. Und als wir dann alle schon im Flugzeug saßen, kam dann auch die unvermeidliche schlechte Nachricht in Form einer Durchsage des Käptn: Auf Grund des schlechten Wetters würde sich der Abflug um weitere 40 Minuten verzögern. Das brachte mich natürlich in Kalamitäten hatte ich doch einen persönlichen Abholservice vom Dortmunder Hauptbahnhof arrangiert (noch mal danke, Wenke!), aber natürlich ihre Telefonnummer nicht dabei (siehe Murphy’s Gesetz).
Der Kapitän machte sogar noch das unmögliche möglich und verkürzte die Verspätung in Düsseldorf auf 20 Minuten, obwohl der Flug teilweise eine richtige Achterbahnfahrt war. Gleichzeitig mit uns kam natürlich noch ein anderer Flug an, so dass die Grenzkontrollen ewig gedauert haben.
In Düsseldorf fährt normalerweise ein sogenannter “Sky Train” vom Terminal zum Bahnhof. Bei meinem Glück allerdings fiel dieser heute aus, und ich musste mit meinem zweiten Ersatzbus am heutigen Tag zum Bahnhof fahren, was meine Chancen, noch rechtzeitig den Zug zu bekommen, torpedierte. Das, und der Fakt dass der Fahrkartenschalter am Bahnhof natürlich schon zu war und vor den Automaten wie immer eine Schlange von ausländischen Fluggästen stand. Die Zusammenkunft von komplizierter Technik und dem noch komplizierteren Tarifsystem der deutschen Bahn ist ein so großer Kulturschock, dass sie entweder vor Ehrfurcht erstarren und wie die Ölgötzen davor stehen, oder sie drücken wahllos irgendwelche Tasten, was das Chaos dann komplett macht. Ich bin - ungelogen - noch nie von diesem Bahnhof abgefahren, ohne vorher nicht mindestens drei Leuten eine Lektion in Automatenkunde gegeben zu haben. Die altruistischen Gründe dafür sind jedoch nur sekundär. Ich möchte nur irgendwann nach Hause kommen.
Heute war es zum Glück nicht ganz so schlimm, und ich hatte nur eine Stunde Verspätung. Glücklicherweise habe ich auch noch Wenke rechtzeitig erreicht um ihr mitzuteilen, dass ich nun eine Stunde später kommen würde. Bei allem, was mir heute passiert ist, war das noch ein Wunder.
teegernseher82 - 3. Jul, 21:08
Gäbe es einen kulinarischen Atlas, so hätte dieser an der Stelle von Großbritannien wahrscheinlich einen weißen Fleck , über dem die Worte “Terra Inkognita” stehen würden. In der Tat ist es so, dass im internationalen Bewusstsein die englische Küche mit dem grauenhaften Porridge zum Frühstück, fettigen Würstchen zum Mittag und noch fettigerem Fisch & Chips zum “tea” gleichgesetzt wird. Die Engländer unterscheiden übrigens bei Abendessen zwischen ´dem profaneren “Tea” und dem etwas nobleren “Dinner”. Letzteres wird meistens dann benutzt, wenn man aushäusig isst, sei es auch nur im Pub, um dort sein Fisch & Chips zu verspeisen.
Es ist Zeit, für die englische Küche eine Lanze zu brechen. In meiner ganzen Zeit hier habe ich nur eine Person getroffen, die an der Tradition des Porridge zum Frühstück festgehalten hat, und diese Person ist ein irischer Nordire (es gibt ja auch englischstämmige Nordiren).
Das Frühstücksverhalten hat sich deutlich verändert in den letzten paar Jahrzehnten. Dank des Vorstoßes kontinentaler Lebensmittel auf den englischen Markt hat man jetzt auch erkannt, dass man Hafer nicht unbedingt immer in Schleimform zu sich nehmen muss. Müslis und Joghurts sind stark im kommen bei den ansonsten nicht so sehr gewichtsbewussten Engländern, allerdings konnten sie die Bastion des “Full English Breakfast” noch nicht stürmen. Warum sollten sie auch? Jeder, der nach England kommt, sollte diese Spezialität zumindest einmal probiert haben. Für ganz nahrungsbewusste gibt es dieses urenglischste aller Essen sogar inzwischen auch auf vegetarisch.
Die Zutaten dieses Frühstücks wirken auf kontinentale Augen ziemlich bunt zusammengewürfelt. Fangen wir mit dem schlimmsten an, dann haben wir das hinter uns: Baked Beans. Mehlige, in zuckriger Tomatensauce fast schon aufgelöste weiße Bohnen. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen; mindestens zwei “Bangers” gehören auf den Teller, das sind Bratwürstchen mit einem unnatürlich hohen Fettanteil und einer Masse, deren Form und Herkunft undefinierbar sind. Spitze Zungen behaupten auch, diese Würstchen bestünden aus “Fett, Augäpfeln und Glasfasern”. Ganz so schlimm ist es nicht, mit der dazugehörigen braunen Soße lassen sie sich gerade noch runterkriegen. Danach wird es aber wirklich angenehm. Da kommt zunächst einmal das Ei auf den Teller, meistens als Spiegelei, aber Rührei und pochiertes Ei sind auch nicht selten, Dann gibt es pro Person mindestens eine gebackene halbe Tomate (sehr lecker), zwei bis vier geröstete Champignons (je nach größe), einen “hash brown”, was eine Art Riesenrösti ist und unseren Kartoffelpfannkuchen gar nicht mal unähnlich, und natürlich jede Menge Toastbrot.
Schon seit Asterix’ Zeiten weiß jeder, dass das Nationalgetränk der Engländer Tee ist. Und wenn der Engländer Tee sagt, dann meint er schwarzen Tee mit einem Tröpfchen Milch. Alle anderen Teesorten sind was für Weicheier und sowieso nicht gut mit Milch zu trinken. Aber der Engländer hat das Geheimnis des guten “Tee mit Milch” nicht für sich behalten, nein, er hat es in die Welt hinausgetragen. Inzwischen bekommt man sogar in Indien, dem Herkunftsland des Tees, in dem traditionellerweise Tee nur mit Tee getrunken wurde, an jeder Straßenecke bei den Straßenhändlern Tee mit Milch hinterher geschmissen.
Aber in Bezug auf die Getränkeauswahl zum Frühstück hat sich England doch deutlich weiter entwickelt und hat den Rest des Kontinents vielleicht sogar klammheimlich auf leisen Sohlen überholt. Wenn man heute in einem Café oder vielleicht einem Bed & Breakfast ein Frühstück bestellt, verbirgt sich hinter der Frage des Wirtes, ob man Tee oder Kaffee haben möchte, ein wahres Labyrinth. Kaffee mit Milch, ohne Milch, small latte, regulär latte, tall latte, jumbo latte, cappuccino with or without sprinkles on top in small, medium, tall or jumbo, Espresso, double Espresso, Moccha smallmediumlargejumbo, Mocchaccino smallmediumlargejumbo, oder doch nur ein Filterkaffee? Und das alles (und das ist der große Unterschied zum kontinentalen Frühstück) in Fair Trade. In England, nein in ganz Großbritannien wird fairer Handel ganz groß geschrieben, und in fast jedem Café hängt am Schaufenster ein großes Schild “Fair Trade Coffee & Tea” drauf. Ob die Briten damit ihre Kolonialschuld abarbeiten wollen, ich weiß es nicht.
Das Mittagessen unterscheidet sich auch deutlich von dem, was wir in Deutschland so gewohnt sind. Bei uns wird das Mittagessen immer noch als Hauptmahlzeit angesehen, in England dient das lunch erst mal dazu, einen über den Mittag zu bringen bis man dann gegen Abend feastet. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass hier nicht nur die Erwachsenen bis nach Mittag ihrer Arbeit nachgehen, sondern auch die Kinder schon im Alter von 5 Jahren bis 15 Uhr in den jeweiligen Erziehungsanstalten aufbewahrt werden. Dazu kommt noch, dass Eltern in England die Chance haben, selbst zu wählen, welche Schulen von ihren Kindern besucht werden. Und wenn Eltern der Meinung sind, dass die Schule, die eine Stunde Busfahrt entfernt liegt, besser ist, als die vor der Haustür, dann kennen sie keine Skrupel.
Das englischste aller Lebensmittel zum Mittagessen ist das Sandwich. Es gibt es in allen Formen und Farben und mit allen möglichen Zutaten die man sich auf einem Sandwich vorstellen kann. Mein persönlicher Favorit ist das Ploughmans Sandwich, das von dem etwas pompöseren Ploughmans Lunch herkommt. Und das geht so:
Das prominenteste an diesem Essen ist die dicke Scheibe Käse (natürlich Cheddar), um die sich alles andere herum gruppiert. Als da wären: eingelegte (süße) Zwiebeln, wer mag darf gerne ein bisschen Salat dazu tun, und natürlich Brot und Butter. Wer sich die Mühe nicht machen mag, der bekommt diese Zusammensetzung aber auch in jedem Supermarkt oder in jeder Bäckerei als belegtes Baguette oder Sandwich.
Die Engländer stecken aber auch wirklich alles zwischen zwei Brotscheiben, hier wird vor nichts zurückgeschreckt. Ob Muscheln, Shrimps, Currys oder Pickles, alles findet seine Abnehmer hier.
Aber nicht nur in der Anzahl der Sandwiches sind uns die Engländer einen Schritt voraus, denn auch eine andere Zutat, die fest zum Bestandteil eines jeden Mittagessens hier gehört, ist in viel größerer Vielfalt vorhanden. Denn so, wie sich die meisten deutschen im Ausland über die Qualität vor allem die Konsistenz des Brotes beschweren (und zurecht, wenn man ´mich fragt), so fragen sich Engländer in Deutschland, wo die deutschen die ganzen schönen Chipssorten im Supermarkt versteckt halten, denn alles, was sie dort finden, ist Gesalzen, Paprika ungarisch und wenn es hoch kommt noch Käse und Zwiebel. Der Grund, warum sie dort nicht mehr finden, ist simpel: Es gibt nicht mehr Sorten.
Der größe Hersteller von “Crisps”, wie die Chips hier genannt werden, ist Walkers. Wenn ich auf deren Website die Auswahl anklicke, dann werde ich erst mal gefragt, ob ich Walkers Crisps, Walkers Lights, Walkers Max, Walkers Baked, Walkers Extra Crunchy oder Walkers Crinkles suche. Alleine die Crinkles Crisps gibt es in vier Variationen, während die normalen Crisps in 13 Verschiedenen Sorten angeboten werden, darunter die Geschmackssorten Tomatenketchup, Saure Sahne & Schnittlauch, Worcestersauce und Shrimps Cocktail. Zudem ist Walkers auch dafür bekannt, dass sie öfter mal zu gegebenen Anlässen völlig neue Geschmackssorten auf den Markt bringen, so gab es z.B. zur Fußball Weltmeisterschaft 2010 eine Sonderedition von Crisps mit Geschmäckern aus jedem teilnehmenden Land. Deutschland war in dieser Linie vertreten mit “Bratwurst Crisps” - man lernt eben nie aus.
Walkers hat aber auch noch etwas anderes zutage gefördert, nämlich das Comedy-Talent in Gary Lineker, der als Hauptwerbeträger agiert.
Die nächste große Mahlzeit ist - Asterix sei dank - der Fünfuhrtee. Wer Asterix bei den Briten gesehen oder gelesen hat, der weiß, dass schon die Römer auf dem Schlachtfeld erfahren mussten, dass die Engländer um fünf Uhr eine Pause einlegen. Vor Asterix und Obelix gab es allerdings um diese Zeit nur heißes Wasser mit Milch, denn erst die beiden Gallier haben bekannterweise den Tee nach England gebracht.
Das englischste aller englischen Essen um diese Uhrzeit ist mit Sicherheit der Cream Tea. Und dazu braucht man folgendes:
1 Scone (brötchenartiges Süßgeback, meist mit Rosinen drin)
Erdbeermarmelade
Butter
Geschlagene Sahne, am besten Clotted Cream, eine fast schon butterartige Sahne
Eine Tasse Tee (oder, wie in meinem Fall, Kaffee)
Man schneide den Scone in zwei Hälften, tue DICK Butter, DICK Erdbeermarmelade und DICK geschlagene Sahne auf beide Hälften und genießt es zusammen mit einer Tasse gutem Earl Grey (oder, wie in meinem Fall, einem Kaffee). Cream Tea ist übrigens das Essen nach Wahl von bisher allen meinen Besuchern gewesen, die vorher schon einmal in England gewesen sind.
Kommen wir zum Heiligtum der englischen Küche: dem Dinner. Beím erfinden von Namen für ihr Essen kennen die Engländer keine Grenzen. Die berühmtesten Beispiele dafür sind “Bubble and Squeak” (Geblase und Gequietsche) oder “Toad in a Hole” (Kröte im Loch). Ersteres ist Kartoffel-Kohl Pürree (manchmal auch mit anderem Gemüse drin, kommt grad drauf an was man über hat), meist mit einem kalten Bratenstück versehen; letzteres sind Bratwürstchen, die in einer Backform mit einem Teig aus Eiern, Mehl, und Milch übergossen und dann im Ofen gebacken werden, meistens serviert mit “mushy peas” (matschigen Bohnen; sind so ekelhaft wie sie klingen) und etwas “potato mash” (Kartoffelpürree) oder chips (also Pommes).
Aber das eigentliche Heiligtum der abendlichen Küche, und auch das Highlight der Woche, ist das Sunday Roast Dinner. Klar gibt es auch in Deutschland den “Sonntagsbraten”, aber der kommt so langsam aber sicher aus der Mode, vor allem weil er viel Zeit und Liebe benötigt. In England ist diese Liebe noch nicht ganz erloschen. Es gibt es in allen Variationen, mit Rinderbraten, Hühnerbraten, Kalbsbraten, Lamm oder auch vegetarisch., aber das Drumherum bleibt meistens gleich:
1. Yorkshire Pudding. Zunächst mal: Yorkshire Pudding ist kein Pudding (für was das Wort “Pudding” im englischen alles verwendet wird, ist ein Kapitel für sich). Man nehme ein bisschen dickflüssigen Pfannkuchenteig, fülle den in eine runde Springform und mache den Rand etwas höher. Der wird dann im Ofen gebacken und nach einer Weile hat man eine schön knusprige runde Schale aus Pfannkuchenteig. Das ist Yorkshire Pudding. In diese Schale kann man dann nach Herzenslust alles tun, was so zu einem Roast Dinner passt: Erbsen, Bohnen, Kartoffelpürree, Würstchen, Brokkoli, Blumenkohl oder alles auf einmal. Die wichtigste Zutat kommt zum Schluss: der Bratensaft. Der kommt nämlich über alles einmal drüber, damit alles auch schön gleich schmeckt.
Guten Appetit!
Einen hab ich noch: Wer das Sunday Roast Dinner nicht selber machen mag (und vermutlich auch noch Geld sparen will), der bekommt dieses jeden Sonntag in allen Pubs fast schon hinterhergeschmissen. Sogar dort, wo man sonst kein Essen bekommt, wird sonntags der Grill ausgepackt und gespachtelt.
Das haben wir übrigens Maggie Thatcher zu verdanken, die in ihrer Amtszeit durchgedrückt hat, dass in Pubs auch Essen verkauft werden darf. Das, und Softeis. *
* Thatcher war vor ihrer Karriere als eiserne Lady Lebensmittelchemikerin und hat das Softeis erfunden. Wirklich wahr!
teegernseher82 - 28. Jun, 00:03
Es ist so viel passiert in den letzten Wochen dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll zu erzählen. Ich bin umgezogen, gehe gerade voll in meinem neuen Job auf und bin eigentlich immer auf Achse. Aber heute habe ich endlich mal wieder Zeit, also schaue ich mal, wie weit ich komme.
Aber erst mal mache ich da weiter, wo ich vorher aufgehört habe. Der letzte Beitrag endete damit, dass ich mit einem komischen Kauz im Zimmer in Drumnadrochit in einem Hostel übernachtet habe.
Um es vorweg zu nehmen: Ich war am nächsten morgen noch am leben, und meine Wertsachen waren auch da, wo sie hin gehörten. Jedwede Aufregung war umsonst. Eigentlich schade, da hat es sich gar nicht gelohnt, sich Sorgen zu machen.
Das Frühstück fiel kurz aus, da ich schon um kurz nach 9 Uhr wieder an der Straße stehen musste. Also um den Bus nach Inverness zu bekommen. Mein Schottland - Abenteuer war noch nicht zu Ende. In Inverness angekommen habe ich schnell meine Siebensachen im Hostel abgeladen, um dann mit dem Bus entlang des Firth of Moray nach Forres zu fahren. Dieseskleine Städtchen gehört zu der Whiskeyregion Speyside. Aus dieser Gegend kommen einige der bekanntesten Whiskeys Schottlands, wie z.B. Glenfiddich, Grant's, Glen Grant u.v.m. Und auch in Forres wird fleißig gebraut, denn hier steht die Distillerie von Benromach, einem wunderbaren Whiskey, den aber in Deutschland leider keiner kennt. Und eine andere Distillerie steht hier, die aber leider stillgelegt wurde - und von Historic Scotland zu einem Museum umgebaut wurde. Und genau dieses Museum sollte ich näher unter die Lupe nehmen.
Der Auftrag war ähnlich wie der am Vortag:
- kaufe ein Ticket
- mache eine Audio-Tour mit
- kaufe ein Tour Guide Buch
- kaufe ein Souvenir aus dem Shop.
Die Dallas Dhu Distillerie liegt etwas außerhalb des Ortes, also habe ich mich auf einen kleinen Fußmarsch gemacht. Ein Blick auf die Karte von Forres hat mir gezeigt, dass ich auch eine "Scenic Route" durch einen Park laufen kann, wo ich erst mal ein paar Jugendliche beim Drogen dealen gestört habe. Als ich an ihnen vorbei gelaufen bin haben sie eher stümperhaft versucht, vor mir geheim zu halten was sie da machen.
An der Distillerie angekommen war ich doch etwas erstaunt, dass ich der einzige Besucher war. Nicht nur das, an der Rezeption hat man mir gesagt, ich sei der einzige Besucher am ganzen Tag gewesen. Und ich war am Nachmittag da!
Dass ich der einzige war hat nur dazu beigetragen, dass das Erlebnis noch einzigartiger war als es eh schon war. Ich bekam einen Audio-Guide auf Deutsch und ein Tourguide Buch auf Deutsch und wurde auf meine Entdeckungsreise geschickt.
Ich habe vorher schon Distillerien in Irland besucht, und es war mal interessant zu sehen, warum die verschiedenen Whiskeysorten verschieden schmecken.
Der Höhepunkt der Tour kam natürlich am Schluss. Ich wurde in einen Vorführraum geführt, wo ich an einer kleinen Bar mein Glas Whiskey, das im Eintrittspreis inklusive war, in Empfang nehmen konnte. Die Dame hinter der Theke war anscheinend so glücklich, überhaupt einen Kunden zu haben, dass sie mir angeboten hat, das Whiskeyglas ganz voll zu machen. Ich hab das Angebot aus versehen nicht angenommen, da ich sie missverstanden hatte. Schade.
Ich machte es mir in einem der Sessel vor dem großen Fernseher gemütlich und ließ den obligatorischen Werbefilm über die Distillerie über mich ergehen.
Als letzten Schritt meines Auftrages musste ich noch einen Einkauf im Souvenirladen machen. Preisfrage: Was kann man hauptsächlich in einem Souvenirladen von einer Whiskeybrennerei kaufen?
Dallas Dhu stellt zwar selbst keinen Whiskey mehr her, aber Historic Scotland lässt Whiskey allein für den Verkauf in diesem Laden unter dem Namen Dallas Dhu woanders produzieren. Damit war die Frage für mich beantwortet, was ich mir kaufe, denn diesen Whiskey bekommt man nirgendwo anders (naja, und es war auch der preiswerteste im Angebot ...)
Leider ging damit mein Schottland - Abenteuer auch schon wieder fast zu Ende. Ich bin zurück nach Inverness gefahren, von wo aus ich am nächsten Tag mit dem ersten Zug wieder zurück fahren wollte.
Ich hatte seit meiner Ankunft in Inverness über das Internet die Situation im Zugverkehr mit verfolgt, nur um zu schauen, ob ich auch wieder zurück komme. Die Situation hatte sich aber wieder beruhigt und alle Zuglinien waren wieder befahrbar. Zumindest fast.
Es war noch immer wahnsinnig kalt, als ich am nächsten morgen um kurz nach 7 Uhr in Inverness am Bahnsteig stand, aber es hatte seit Tagen nicht mehr geschneit und die Strecke war frei. Der Zug stand schon bereit am Bahnsteig, und kurz darauf fuhren wir auch pünktlich los. Aber wir kamen nicht weit. Denn als wir ca. 15 min unterwegs waren, ging an einer Steigung auf einmal der Dieselmotor des Zuges aus. Und sprang auch nicht wieder an. Nach fünf Minuten kam dann die Durchsage, dass dieser Zug nun langsam zurück nach Inverness rollen würde, der Motor sei kaputt. Netterweise hatte der Zug noch einen Elektromotor, der uns sicher zurück nach Inverness brachte. Ich war beeindruckt, als im Bahnhof am Gleis gegenüber schon ein Zug auf uns wartete, in den wir sofort umsteigen konnte, und der auch noch innerhalb von fünf Minuten abfahrbereit war. So fuhr ich mit etwas mehr als 45 Minuten Verspätung in Inverness ab. InEdinburgh Haymarket hatte ich 40 Minuten Zeit zum umsteigen, der Zug musste also noch ein bisschen Verspätung aufholen. Hat er aber nicht getan, und wir fuhren mit fast 50 Minuten Verspätung bei Haymarket ein. Ich konnte jetzt entweder aussteigen und eine Stunde in einem langweiligen Vorort von Edinburgh verbringen, oder bis zu Central Station durch fahren und dort den Zug eine Stunde später nehmen. Ich hab mich dazu entschlossen, doch auszusteigen und zu hoffen, dass mein Anschlusszug Verspätung haben würde. Und was soll ich sagen, ich war gerade ausgestiegen, als eine Durchsage kam, dass mein verspäteter Anschlusszug jetzt einfahren würde. Glück gehabt!! Und so ging es auch weiter, denn wegen der Verspätung von diesem Zug hätte ich meinen Anschlusszug in Crewe nicht mehr bekommen und musste stattdessen in Warrington umsteigen. Wie gut dass ich ein Internetfähiges Handy habe, so konnte ich mir schnell Ersatzverbindungen suchen, wenn es mal nicht so lief wie ich wollte. Vor allem, weil ich wieder einmal mit 4 verschiedenen Anbietern gefahren bin und mir das Zugpersonal keine Auskunft über meine Anschlusszüge geben konnte.
Leider hatte der Zug von Warrington nach Chester auch 20 Minuten Verspätung, aber in Chester hatte ich 30 min aufenthalt, das war also nicht so tragisch. Alles in allem bin ich nur 20 Minuten später angekommen als eigentlich geplant.
teegernseher82 - 7. Feb, 01:28
Eine Tasse Tee und ein Glas Whiskey neben mir und die ganze Nacht vor mir. Ich habe mir fest vorgenommen, bis morgen früh diesen Blog auf dem neuesten Stand zu haben. Die Vorzeichen dafür stehen gut.
Also, wo war ich stehen geblieben? Ach ja, in Schottland.
Der Anlass, warum ich nach Schottland gefahren bin, war ja eigentlich. dass ich ein paar Besuche in meiner Funktion als Mystery Shopper machen musste, unter anderem zu Urquhart Castle am Loch Ness und zu einer alten, zu einem Museum umfunktionierten Whisky-Distillerie in Forres, beides in der Nähe von Inverness. Bevor ich diese Besuche durchführen kann, muss ich aber erst mal eine Job-Beschreibung und einen dazugehörigen Fragebogen ausdrucken. Nun hat es sich aber zugetragen, dass sich im gesamten Dorf kein funktionierender Drucker fand. Meine einzige Hoffnung, die Bibliothek, hatte an diesem Montag morgen leider zu. Dann habe ich ein Internet - Café gefunden, bei dem man angeblich drucken konnte, aber da hat der Drucker leider nicht funktioniert. Es wurde immer später, und als man endlich den Fehler gefunden hatte, musste ich schon zum Bahnhof um meinen Zug zu bekommen. Der Bahnhof war zum Glück nur fünf Minuten zu Fuß entfernt. Dort angekommen, musste ich feststellen, dass mein Zug eine ganze Dreiviertelstunde Verspätung hatte. Also bin ich wieder zurück zum Internet-Café, um endlich drucken zu können.
Da nun der Zug so verspätet war, konnte ich aber meinen Zeitplan nicht mehr einhalten, denn eigentlich wollte ich an dem Tag erst nach Forres zu der Distillerie fahren, um dann von dort aus noch nach Drumnadrochit zum Loch Ness zu kommen, wo ich meine Übernachtung gebucht hatte. Das hätte aber bedeutet, erst mit dem Zug eine Dreiviertelstunde nach Inverness zu fahren, dann mit dem Bus eine Stunde nach Forres, dann wieder von Forres nach Inverness, und dann erst von Inverness mit dem Bus nach Drumnadrochit zu fahren, was noch einmal eine halbe Stunde gedauert hätte. Das war nun nicht mehr möglich, und ich musste den Besuch der Distillerie um zwei Tage nach hinten verschieben, was glücklicherweise kein Problem und für mich weniger stressvoll war. Also bin ich mit dem verspäteten Zug nach Inverness gefahren, und dann direkt weiter zum sagenumwobenen Loch Ness.
Drumnadrochit ist ein kleiner Ort in der Mitte der Südseite vom Loch. Wenn man durch den Ort fährt, sieht man sofort, was hier die Einnahmequelle Nummer eins ist. Ein Loch Ness Visitor Centre hier, ein "Monster Exhibition Visitor Center" da, verschiedene Loch Ness Monster Hotels und einige Devotionaliengeschäfte ließen kaum Raum für Spekulationen, wo man sich hier befand.
Ich hatte mich in der Loch Ness Backpacker Lodge eingebucht, einem kleinen familiärn Hostel. Welches ich bei meiner Ankunft verschlosse vorfand. Ich hatte dieses Hostel über das Internet über Hostelworld gebucht. Wenn nun das Hostel über Winter geschlossen war und Hostelwprld davon nichts wusste? Das alles kam mir komisch vor. Das Schild an der Tür "bitte nicht klingeln - Telefonnummer hängt an Rezeption" hilf mir auch nicht weiter, ich kam ja nicht mal bs zur Rezeption, denn die war im Haus drin. Eine freundliche Nachbarin half mir weiter, indem sie mir verriet, wo die Besitzer von dem Hostel wohnten. Zum Glück war das nur fünf Minuten zu Fuß entfernt, und ich klingelte bei meinen Gastgebern in spe an. Es öffnete mir eine Frau, die etwas perplex war, einen fremden Backpacker vor der Tür zu haben. Die Situation klärte sich schnell. Außer mir war nämlich nur eine andere Familie im Hostel eingebucht, und Wendy, die Besitzerin, hielt es auf Grund der wenigen Gäste nicht für nötig, ständig Mitarbeiter vor Ort zu haben. So hat sie einfach die Familie am morgen gebeten, die Haustür nicht abzuschließen, wenn sie das Hostel verlassen würden, da noch jemand kommen würde. Was diese dann natürlich nicht befolgt haben.
Da der Besuch bei der Burg erst am nächsten Tag anstand, habe ich mich auf eine kleine Erkundungs- und Shoppingtour in den Ort begeben. Allerdings befand ich mich im nördlichen Schottland miten im Winter, das heißt es war um 15 Uhr stockduster und um 15.30 Uhr waren alle Geschäfte außer den Pubs dicht. Ich konnte gerade noch im Supermarkt ein paar Nudeln und Bier kaufen bevor auch der vor meiner Nase zugemacht hat. Der Abend hatte früher begonnen als vermutet, und es gab viel Zeit alleine im Hostel totzuschlagen.
Der nächste morgen begann mit einem Schocker. Ich saß gemütlich am Frühstückstisch als es an der Tür sturmklingelte. Wendy undihr Mann waren natürlich nicht da und ich war alleine. Eigentlich wollte ich nicht aufmachen, aber das klingeln hörte nicht auf. Irgendwann war es mir zu blöd und ich hab die Tür aufgemacht. Draußen stand ein Typ mit nem Koffer und wollte wissen, ob noch ein Bett frei wäre. Um acht Uhr morgens. Ich erklärte ihm, dass ich kein Mitarbeiter sei, sondern selbst hier übernachten würde. Der Typ kam mir zwar etwas suspekt vor, aber ich fühlte mich nicht dazu berechtigt, jemanden abzuweisen. Mir war aber trotzdem nicht geheuer. Ich zeigte ihm das Telefon an der Rezeption, von dem aus er die Besitzer anrufen könnte. Von Anfang an hat der Typ die ganze Zeit Fragen gestellt, wer ich sei, woher ich komme, was ich hier machen würde usw. Ich habe mich schon gefühlt wie auf einem Polizeirevier. Unglücklicherweise hatte ich meinen Computer und meine Kamera in der Küche, da ich gerade daran gearbeitet hatte, als er kam. Sofort war seine Aufmarksamkeit darauf gerichtet und er fragte mich aus wie teuer die gewesen seien und wo ich die gekauft habe usw. Ich habe natürlich den Preis deutlich herunter gespielt. Sein Telefonanruf bei der Besitzerin hat dann ergeben, dass er ein SChlafsaal-Bett haben wollte. In diesem Hostel gab es nur einen Schlafsaal, das bedeutete, ich musste das Zimmer mit ihm teilen. Grauenhafte Vorstellung, vor allem vor dem Hintergrund, dass ja nicht mal ein Mitarbeiter vor Ort sein würde, nur er und ich. Die Familie ist nämlich an meinem zweiten Tag dort ausgezogen.
Als der Typ dann irgendwann mal wieder gegangen war, habe ich noch mal bei Wendy angerufen und angefragt, ob es nicht doch zumindest möglich wäre, uns in zwei verschiedene Zimmer zu packen, was diese aber aus Kostengründen (wegen den Heizkosten) verneint hat. Ausserdem meinte sie, sie könne meine Bedenken gar nicht nachvollziehen, am Telefon hat sich der Typ ja ganz nett angehört. Schotten eben.
Der Typ war für den Rest des Tages weg und wollte erst am Abend wieder kommen, und ich hab die Zeit genutzt. die Gegend per Wanderung zu erkunden. Das Wetter war zwar eher mäßig, aber ich hab es genossen, hoch über dem Loch Ness zu wandern. Bei einem Wasserfall hatte ich die Gelegenheit, eine Rehmutter mit ihrem Kitz zu beobachten und zu fotografieren. Über eine halbe Stunde saß ich da und hab die beiden beim fressen beobachtet. Die beiden haben mich zwar bemerkt, aber da zwischen uns eine kleine Schlucht war, war ich keine Gefahr für sie.
Zurück am Hostel fand ich Wendy in der Rezeption vor. Sie hat noch einmal versucht, mir einzureden, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Ich hatte mir bis dahin aber auch meine Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass der Typ zwar nicht alle Latten am Zaun hatte, im großen und Ganzen aber wahrscheinlich harmlos war. Letzte Zweifel hatte ich dennoch.
Viel Zeit darüber nachzudenken hatte ich nicht, denn ich musste auch schon wieder aufbrechen zum etwa einen Kilometer entfernten Urquhart Castle, um dort meinen (zugegebenermaßen angenehmen) Pflichten nachzukommen.
Meine Aufgabe während der Besichtigung hatte mehrere Bestandteile. Es galt zum einen die Burg zu besichtigen, aber zum anderen gab es dort auch ein großes Visitor Center mit einer Ausstellung, einem Kinosaal, einem Café und einem Souvenirshop. Folgendes waren meine Instruktionen
- besichtige die Ausstellung um zu sehen ob alle Gegenstände, vor allem die interaktiven Displays, funktionieren
- schaue einen Film über die Burg im Kinosaal und überprüfe ob alles Reibungslos abläuft
- stelle mindestens zwei Mitarbeitern fragen über die Burg um zu schauen, wie intensiv ihr Wissen ist und wie sie mit Kunden umgehen
- besichtige die Burg und schaue, ob dort alles sauber und gut abgesichert ist und ob Schilder gut lesbar sind
- gehe zurück ins Café und bestelle was zu essen und zu trinken, frage die Mitarbeiter was zu empfehlen sei
- gehe in den Souvenirladen und kaufe ein Souvenir, frage einen Mitarbeiter was zu empfehlen sei
- besichtige die Toiletten.
So macht es Spaß, Geld zu verdienen, sag ich euch.
Mstery Shopping läuft so ab, dass Arbeitgeber sich an die Mystery-Shopping Agenturen wenden, damit diese ein dem Zweck zugeschnittenes Konzept ausarbeiten und dann Mystery Shopper schicken, die die speziellen Instruktionen befolgen müssen. In diesem Fall war der Auftraggeber Historic Scotland, die sich um die Aufrechterhaltung der Burg und die touristische Nutzung kümmern, ebenso wie auch bei der Whiskey-Distillerie, die ich später besucht habe. Mein Bericht über meine Erfahrungen und der Fragebogen, den ich nach meinem Besuch auszufüllen hatte, half Historic Scotland, eventuelle Missstände wie kaputte Displays, Sicherheitsrisiken oder auch unfreundliche Mitarbeiter zu erkennen und Maßnahmen dagegen einzuleiten. An diesem Tag aber war alles zu meiner vollsten Zufriedenheit gelaufen und Bericht und Fragebogen haben vor Lob gestrotzt. Ich habe eine interessante Burg gesehen, im Souvenirshop ein Weihnachtsgeschenk erstanden und umsonst lecker gegessen und getrunken UND bin dafür bezahlt worden. Herrlich!
Als ich meinen Besuch beendet hatte, war es schon dunkel, und die Burg (die übrigens auf einer kleinen Halbinsel im Loch Ness liegt) war klasse angestrahlt. Ich hatte meine Spiegelreflex dabei und hab mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen, ein paar klasse Fotos zu machen.
Auf dem Weg zurück zum Hostel hatte ich die leichte Hoffnung, der Typ wäre nicht mehr da. Pustekuchen. Zeitgleich mit mir kam auch er wieder. Vor der Tür habe ich ihn getroffen und ihm Hallo gesagt. Er hat nichts gesagt und ist draußen geblieben, hat mich wohl nicht so recht erkannt. Ich schloss die Tür hinter mir als ich rein kam, da er keine Anstalten machte, auch rein zu gehen. Kurze Zeit später klopfte es an der Tür, und ich öffnete ihm. Erst als er mich meine Schuhe hat ausziehen sehen, wurde ihm bewusst, dass ich es war, der da gerade draussen an ihm vorbei gegangen ist. Betrunken war er nicht, sein Verhalten musste einen anderen Grund haben. Und die weiter Unterhaltung mit ihm am Abend (so nervig es auch war, da er nie aufhörte, Fragen zu stellen) wurde mir langsam bewusst, mit wem bzw. was ich es hier zu tun hatte: er zeigte deutliche Anzeichen von (Asperger) Autismus. Eines der Symptome davon ist beeinträchtigte, verzerrte Sinneswahrnehmung, was erklärte warum er mich draussen in der Dunkelheit nicht erkannt und sich erst mal nicht rein getraut hatte.
Der Mann von der Besitzerin hat uns zumindest für den Abend Gesellschaft geleistet. Ich vermute, das lag an der Äußerung meiner Bedenken gegenüber Wendy am morgen. Aber vor dem Hintergrund der neu gewonnenen Erkenntnis sah auf einmal alles ganz anders aus und ich hatte eigentlich kein Problem mehr, mein Zimmer zu teilen.
Trotzdem habe ich gewartet bis er schon schlief bevor ich auch ins Bett gegangen bin. Seine Reaktion als ich ins Zimmer kam bestätigte meine Vermutung. Die Bodendielen im Zimmer waren recht laut. Er ist davon aufgewacht, und zwar völlig in Panik. Er fragte mich wer ich wäre, und meine Antwort, dass ich es sei, sein Zimmergenosse, hat ihm nicht genügt. Ich musste das Licht anmachen und mich ihm zu erkennen geben (meine Stimme hat er nicht erkannt) bevor er sich wieder beruhigt hatte. Er meinte, er hätte völlig vergessen, dass er das Zimmer mit jemandem teilen würde.
Als ich sein leises schnarchen von der anderen Seite des Raumes hörte, bin ich auch eingeschlafen (mit allen meinen Wertsachen mit mir im Bett oder gut versteckt...)
Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Wir haben jetzt 3 Uhr morgens und ich gehe ins Bett. Gute Nacht!
teegernseher82 - 19. Jan, 02:51
Nur eine kurze Mitteilung an alle, die mich eventuell über Weihnachten in Deutschland erwarten: Mein Flug von Birmingham nach Düsseldorf wurde heute gestrichen. Die nächste Möglichkeit, nach Düsseldorf zu fliegen besteht erst morgen Abend um 17.40 Uhr, aber es ist sehr unsicher, ob ich in diesem Flug einen Platz bekomme. Momentan übernachte ich in einem Hotel in der Nähe des Flughafens, aber ich werde morgen so früh wie möglich zum Flughafen gehen, damit ich auch ja immer auf dem laufenden bin, was dort gerade passiert.
Drückt mir die Daumen!!
Ingo
teegernseher82 - 20. Dez, 23:50
Aviemore, zweiter Tag.
Wo sind meine Beine hin und wer hat mir die zwei wabbligen Stengel unter mir untergeschoben? Jedes Aufstehen tut weh und wenn ich laufe, sieht das so aus, als ob ich mir in die Hose gemacht hätte. Und das alles nur von ein bisschen wandern.
Ich kann nicht mit absoluter Genauigkeit sagen, wie viele Kilometer ich heute “gemacht” habe, aber es dürften so zwischen 25 und 30 gewesen sein. Ab in die Wildnis.
Mein größtes Problem war zunächst die Orientierung. Meine “Karte” hat dahingehend leider nicht viel hergegeben, und beschildert sind die Wege auch nur, wenn die Parkranger gerade Lust dazu hatten, irgendwo einen Wegweiser hin zu pflanzen. Aber das war nur am Anfang ein Problem. Was mich viel mehr genervt hat, war das nahe bei gelegene Tontaubenschiessen. Ich wollte schließlich auch etwas Wildife sehen, und wenn ständig von irgendwo her Schusslaute kommen ist die Wahrscheinlichkeit dazu extrem gering. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich weiter in den Park hinein zu vertiefen .
In den Cairngorms liegt Großbritanniens zweithöchster Berg, der Ben Macduie. Von Aviemore ist dieser Berg im Sommer wohl leicht zu besteigen, im Winter ist das eher schlecht. Ich bin dem Pfad gefolgt, bis ich im Schnee fast stecken geblieben bin. Aber es hat sich gelohnt, denn die Sicht von da aus war schon ziemlich umwerfend. Von dort aus habe ich mich aufgemacht, den Loch Morlich einmal zu umrunden. Der See lag wieder unten im Tal bei dem kleinen Ort Glenmore und war komplett zugefroren. Mit dem Hintergrund der schneebedeckten Berge hat auch der See ein tolles Fotomotiv abgegeben. Leider wurde es schon langsam dunkel (um14.30 Uhr!!) und ich musste mich sputen. Am oberen Ende des Sees hörte dann auf einmal wieder die Beschilderung auf, und ich bin den Pfaden auf gut Glück gefolgt (ich wusste allerdings, dass die Hauptstraße und der Ort nicht weit entfernt von mir waren). Glücklicherweise habe ich da aber noch jemanden getroffen, der mir genau sagen konnte, wo ich her gehen musste.
Um 15.30 Uhr war ich in Glenmore. Ich wusste, dass von dort aus ein Pfad entlang der Straße zum 8 Kilometer entfernten Aviemore führte. Ich hatte kurz überlegt, ob ich per Anhalter fahren sollte, aber das hat mir mein Stolz verboten, ich wollte die ganze Strecke zu Fuß schaffen. Der Weg führte auch an der Straße entlang … bis er dann auf einmal in den Wald abbog. Netterweise war dieser Weg wieder beschildert und ich wurde vergewissert, dass ich trotzdem auf dem richtigen Weg war. Bei Dämmerung durch den Wald zu wandern hat mir zuerst gar nicht gefallen. Bis ich den ersten Hirsch gesehen habe. Das hat mich entschädigt. Nach etwa einer halben Meile führte der Weg mich auch wieder zurück zur Straße und blieb dann auch da für den Rest des Weges. Ich war allerdings froh, dass ich meine Taschenlampe mitgenommen hatte, denn langsam aber sicher wurde es stockduster.
Als ich den Punkt an der Straße erreicht hatte, von dem ich aus am morgen in den Wald gewandert war, hab ich mich gefreut wie ein Kind, denn meine Beine taten weh und von da aus war es nicht mehr weit bis zum Hostel.
Übrigens: meine Wanderschuhe, die ich mir für 15 Pfund in einem Charity Shop gekauft habe, sind wahre Wunderstiefel. Ich bin damit durch Flüsse gewatet und durch einen halben Meter hohen Schnee gewandert, und meine Füße waren so trocken wie Saharasand. Ich liebe diese Schuhe!
teegernseher82 - 13. Dez, 19:39
Aviemore in den Cairngorms ist nur 40 Minuten mit dem Zug entfernt von Inverness, aber es fühlt sich an wie eine andere Welt. Die Stadt lebt einzig und allein vom Tourismus, und momentan ist hier absolute Ski-Hochsaison, auch wenn es etwas zu früh dafür ist im Jahr. Die umliegenden Berge sind endlich mal richtig schneeweiß, und auch im Ort lag zumindest ein bisschen Schnee, auch wenn es schon stark am abtauen war. Aviemore liegt übrigens am River Spey. Für die Whiskeyfans unter euch wird der Begriff “Speyside” mit Sicherheit keine Neuheit sein. Hier in der Nähe werden Marken wie Grant’s, Glenfiddich, Glenfarclas, Aberlour und viele mehr hergestellt. Allerdings nicht in Aviemore an sich, sondern die meisten Distillerien sind in Dufftown, etwa 30 km nördlich von hier.
Die Cairngorms sind Großbritanniens größter Nationalpark, und Cairngorm Mountain ist mit seinen 1245 Metern höhe auch nur schwer zu übersehen. Ich habe mich heute dazu entschlossen, eine Halbtageswanderung zu einem großen See im Nationalpark zu machen (Lake Eilinn). Der Weg warwegen dem Tauwetter etwas beschwerlich, aber es hat sich gelohnt. Der See war wirklich pittoresk und vor allem wegen den schneebedeckten Bergen im Hintergrund sehr fotogen. Zu allem malerischen Überfluss gab es auch noch eine Insel mit einer Burgruine mitten im See. Herrlich.
Das Problem, wenn man mitten im Winter in den Bergen wandern geht ist, dass es extrem früh dunkel wird. Und da ich ja heute erst in Aviemore angekommen bin, war das Wandervergnügen nach wenigen Stunden schon beendet. Aber morgen, ja morgen stehe ich gaaaaaaanz früh auf und mache mich auf in die Berge. (Wer’s glaubt ….)
teegernseher82 - 13. Dez, 19:36
Inverness an sich ist ein ganz nettes Städtchen. Der River Ness schlängelt sich malerisch durch die Innenstadt, aber in gehbarer Entfernung davon bietet er auch eine nette Gelegenheit, einen ruhigen und beschaulichen Spaziergang über die Ness Islands zu machen.
Mein Tag begann aber in dem wohl größten Antiquariat, was ich je gesehen habe. Leaky’s Second Hand Bookshop & Café ist eine große Halle voll mit alten Büchern, unordentlich aber gemütlich. Ein Antiquariat eben. Auf einer Empore hoch über diesem Bücherchaos habe ich meinen ersten Kaffee am Tag genossen, bevor ich mich aufgemacht habe, die Stadt zu erkunden.
Viel Stadt gibt es allerdings nicht zu erkunden. Die Fußgängerzone besteht aus vier kurzen Straßen. Das anliegende Shopping-Center ist zwar größer, hat es mir aber nicht wirklich angetan. Also habe ich den Fluss überquert und bin ihm mehrere Kilometer lang gefolgt, raus aus der Stadt und rein in die Natur. Die oben beschriebenen Ness Islands waren tatsächlich eine Abwechslung. Unter anderem konnte ich dort einen Kranich aus nächster Nähe beobachten.
Eine tadt ist in Schottland keine Stadt wenn sie nicht auch eine ordentliche Burg hat. Inverness ist da keine Ausnahme. Die Burg thront hoch über dem Fluss, und man hat eine herrliche Aussicht von da oben. Die Burg an sich allerdings steckt noch in den Kinderschuhen, zumindest wenn man sie vom Alter her mit den umliegenden vergleicht. Erst im 18. Jahrhudert ist sie errichtet worden, und das auch nicht als Festung, sondern eher als Schloss.
Was der ganzen Stadt natürlich fehlte, war klar: Schnee. Seit Wochen kamen die Meldungen im Fernsehen, dass Schottland im Schnee versinken würde, aber Inverness hat davon wohl nichts mitbekommen. Ein bisschen Schneematsch am Straßenrand zählt da nicht. Also habe ich kurzerhand beschlossen, die nächsten zwei Nächte in den nahe liegenden Cairngorms zu verbringen. Da dieser Nationalpark ein Skigebiet ist, sollte man vermuten, dass die Schneedecke dort ein bisschen höher sei als hier.
Wir werden sehen …
teegernseher82 - 13. Dez, 19:35
Seit Wochen schon hatte ich mich wie ein Kind auf die Fahrt nach Inverness gefreut. Jedes Mal, wenn in den Nachrichten über die “Katastrophale Wettersituation” in Schottland berichtet wurde, ist meine Vorfreude noch einmal ums dreifache angewachsen. Endlich richtigen Schnee sehen, und das auch noch in der Wildnis in den schottischen Highlands …
In meiner Phantasie wuchs die Schneemenge auf drei Meter an, und selbst nachts habe ich von dieser Fahrt geträumt. Dann sah ich kurz vor meiner Abfahrt einen Bericht aus den Cairngorms, einer Bergkette in der Nähe von Inverness, also genau aus der Gegend wo ich hin fahren würde. Da war alles weiß, und die Wildtiere tummelten sich da nur so, zumindest in diesem Beitrag.
So weit so gut. Vor dem Tag der Abreise bin ich dann erst einmal auf den Boden der Tatsachen zurück geholt worden. Ich hatte mir die Zugtickets online bestellt, trotzdem musste ich mir die am nächsten Bahnhof ausdrucken lassen (klingt komisch, ist hier aber so; technisch ist man hier eben noch nicht so weit wie in Deutschland, wo man die Tickets einfach zugemailt bekommen kann …). Jetzt hatten sich aber kurzfristig die Öffnungszeiten des Bahnschalters geändert. Dieser hat nämlich, wie sonst an einem Mittwoch üblich, nicht um 16 Uhr die Schotten dicht gemacht, sondern schon um 12.30 Uhr. Da stand ich nun ich armer Thor und war so klug als wie zuvor. Also bin ich zurück nach Hause und habe bei der Hotline von der Firma angerufen, bei der ich die Tickets gekauft habe. Die haben mich dann netterweise erst einmal mit Indien verbunden. In Indien hat man mir dann mitgeteilt, dass es zur Zeit technische Probleme mit der Datenbank geben würde und ich in einer halben Stunde noch einmal anrufen müsste. Nach einer Stunde war das Problem noch immer nicht gelöst, so dass man mir erst bei meinem dritten Anruf in Indien sagen konnte, dass das jetzt mein Problem sei und man mir nicht weiterhelfen könne. Ausserdem wollte man mir dort weis machen, dass im Internet stünde, die Station bei mir sei 24 Stunden lang besetzt und ich sollte doch noch mal da hin fahren. Ja klar. Letzteres Telefonat hat mich so verärgert dass ich den Manager am Telefon verlangt habe. Beim warten auf den Manager ist mir dann aber leider das Guthaben ausgegangen …
Das Problem war eigentlich nur, dass ich gerne am nächsten morgen um 5.39 Uhr die erste Verbindung genommen hätte. Das war nun nicht mehr möglich, denn ich musste warten, bis die Station öffnete um meine Tickets zu bekommen und dann hoch zu fahren. Ich wollte deshalb die erste Verbindung nehmen, da ich wusste, dass es auf Teilen der Strecke zu erheblichen Störungen und Verspätungen kommen würde. So konnte ich aber erst um 08.00 los fahren.
Die Odyssee begann. Mein ursprünglicher Plan war folgendermaßen:
Gobowen - Wolverhampton
Wolverhampton - Carlisle
Carlisle - Edinburgh Haymarket
Haymarket - Inverness.
Schon am Bahnschalter hat man mir erzählt, dass das so nicht geht, auch wenn mir die Internetseite von National Rail diese Strecke so angegeben hat. Denn (und das ist eine sehr witzige Regel) wenn man ein Ticket für eine Fahrt nach Norden hat, kann man nicht erst nach Süden fahren. Da Wolverhampton südlich von uns liegt, war das ein No-No für mich. Die Strecke wurde dadurch ein wenig komplizierter
Gobowen - Shrewsbury
Shrewsbury - Crewe
Crewe - Carlisle
Und von dort aus wie gewohnt weiter. Der Fakt dass auch Shrewsbury südlich von mir liegt hat die Dame dabei großzügigerweise nicht gestört.
Auf der Strecke von Crewe nach Carlisle begann das Dilemma. Diese führt nämlich durch den wunderschönen Lake District National Park. So schön die Gegend auch sein mag, aber auch hier hat Schnee und Eis zugeschlagen und den Weichen und Schienen zugesetzt. Streckenweise konnte der Zug nur Schritttempo fahren und kam mit einer Verspätung von 20 Minuten in Carlisle an. Eigentlich hätte ich dort meinen Anschlusszug nicht bekommen, glücklicherweise steckte der aber auch hinter uns fest, so dass ich den doch noch bekommen habe.
Da ich meinen Anschluss in Edinburgh vermutlich auch verpassen würde, habe ich eine Schaffnerin gefragt, wie ich denn nach Inverness kommen würde. Die Antwort war simpel: “Es fahren zur Zeit keine Züge von Edinburgh nach Inverness. Stattdessen habe ich einen neuen Fahrplan von ihr bekommen, der sah so aus:
Edinburgh ab 15:35 - Perth an 16:54 Uhr
Perth ab 17:18 - Inverness an 19:34 Uhr
Ich sollte aber nicht in Haymarket aussteigen, sondern in Edinburgh Waverley (also dem Hauptbahnhof), da wegen des schlechten Wetters nicht alle Züge in Haymarket halten würden.
Ich stieg also in Edinburgh aus und hatte 1,5 Stunden Zeit, mir die Stadt anzuschauen. Ich traute meinen Augen nicht: das bisschen Schnee hat für so viel Aufruhr gesorgt? Also wirklich, die Briten sind weltklasse im Übertreiben! Aber ich hab mich erst mal daran gemacht, die Burg von Edinburgh zu begutachten, dafür ist diese Stadt ja schließlich weltbekannt. Ausserdem gab es eine kleine Weihnachtskirmes, gerade genug um meine 1,5 Stunden voll zu kriegen.
Der nächste Schock folgte, als ich wieder zurück zum Bahnhof kam: Es fuhren keine Züge nach Perth oder überhaupt in die Richtung, in die ich wollte, schon gar nicht der Zug, der mir von der Schaffnerin empfohlen wurde. Ich müsste über Aberdeen fahren, hat man mir erzählt, und dann auf die Schlange für den Zug nach Aberdeen gedeutet. Ich fühlte mich verarscht. Die Schlange war glatt einen halben Kilometer lang (in den großen Bahnhöfen gibt es ein Schlangensystem für alle Gleise. Die Drehkreuze werden erst geöffnet, wenn der Zug eingefahren ist, und dann werden die Leute einer nach dem anderen durchgeschleust). Aber ich hatte Glück im Unglück, denn es wurde eine kurzfristige Gleisänderung für den Zug nach Aberdeen bekannt gegeben, und zwar zu einem Gleis am anderen Ende des Bahnhofs. Alles rannte dahin, und ich rannte mit. An dem Gleis angekommen fühlte ich mich noch mehr verarscht. Da stand ein Zug mit zwei Waggons, der hunderte von Leuten transportieren sollte. Und wirklich, wir wurden alle verarscht, denn die Gleisänderung wurde wieder zurück genommen und durchgesagt, dass der Zug doch auf dem geplanten Gleis abfahren würde. Kommando zurück alle rannten wieder quer durch den Bahnhof, um dann brav wieder eine Schlange zu bilden. Und ich war mitten drin J. Das hat mir aber leider nichts genützt …
Als der Zug eingefahren war, wurden einige der Wartenden aufs Gleis durchgeschleust, inklusive mir. Der Zug war aber schon fast voll, aus allen Türen quollen die Leute schon heraus. Nur ganz hinten im letzten Waggon war noch Platz, also rannte ich da hin. Leider vergeblich, denn als ich da ankam wurde die Tür gerade geschlossen. Ich bin dann ganz schnell zurück gerannt zum nächsten Schaffner und hab gefragt, warum der Zug denn abfahren würde, obwohl der letzte Waggon noch nicht voll sei und noch hunderte Menschen darauf warteten, nach Aberdeen zu kommen. Die Antwort darauf war, dass der Zug voll sei, jetzt abfahren würde und ich das Gleis bitte verlassen solle. Ich wurde wütend und hätte wahrscheinlich (was bei mir eher selten vorkommt) gebrauch von Gewaltausdrücken genommen, wenn nicht gerade hinter mir zwei Polizisten gestanden hääten. Jetzt musste ich mich nämlich wieder hinten an stellen. Anstatt dass die Schlange für den nächsten Zug nach Aberdeen kürzer geworden wäre ist sie sogar noch ein bisschen länger geworden.
Der Grund für das ganze Chaos war übrigens, dass wegen der Kälte die Kupplungen an den Wagen eingefroren waren und man daher nur eine begrenzte Anzahl an Waggons auf die Reise schicken könne …
Am Informationsschalter in der Bahnhofshalle habe ich dann erfahren, dass tatsächlich geplant wäre, dass ein Zug nach Inverness (der erste an dem Tag) den Bahnhof um 17.41 Uhr verlassen würde, aber das sei noch nicht so sicher. Tapfer wie ich war stellte ich mich also in die Schlange für den Zug nach Aberdeen und wartete ab, was passieren würde. Als dann der nächste Zug nach Aberdeen um 16.30 in den Bahnhof einfuhr, verdichteten sich die Anzeichen immer mehr, dass der Zug nach Inverness tatsächlich fahren würde, also trat ich aus der Schlange aus und wartete auf den Inverness-Zug.
Und tatsächlich, pünktlich um 17.41 Uhr, vier Stunden nach Plan, saß ich in dem Zug, der meinen finalen Reiseabschnitt bestreiten sollte. Dieser rollte dann, mit “nur” 25 Minuten Verspätung um 21.30 Uhr in Inverness ein.
Als ich dort aus dem Bahnhof trat staunte ich nicht schlecht. In Inverness lag ÜBERHAUPT KEIN SCHNEE!!!
Hungrig und müde machte ich mich auf zu meinem Hostel, das zum Glück nur ein paar Minuten zu Fuß vom Bahnhof entfernt war. Auf dem Weg dorthin kam ich an einer Domino’s Pizzeria vorbei. Das machte mich glücklich. Mein Abendessen war gerettet!
teegernseher82 - 13. Dez, 19:30
Nur schnell eine Nachricht um zu sagen dass ich in Inverness gut angekommen bin. Die Reise hat allerdings fast 13,5 Stunden gedauert, 4,5 Stunden länger als sie eigentlich hätte sein sollen. Bis Edinburgh war noch allles OK. Aber von Edinburgh sind nur noch sporadisch Züge nach Norden gefahren, dank der "schlechten" Wetterbedingungen.
Allerdings muss ich sagen, dass das bisschen SChnee, was ich auf dem Weg hier hin kaum als Ausrede gelten darf. Bei dieser "Menge" Schnee würde es sogar die Deutsche Bahn schaffen, einen geregelten Betrieb aufrecht zu erhalten. Hier in Großbritannien ist eben alles ein wenig unorganisierter. Einen detaillierten Bericht gibt es später. Auf der Rückreise werde ich vermutlich wieder sehr viel Zeit zum schreiben haben ...
teegernseher82 - 10. Dez, 00:03
Ich werde immer wieder gefragt, wann ich denn mal wieder einen neuen Beitrag schreibe für den Blog. Nun ich gebe zu, dass ich momentan etwas hinterherhinke, aber ich bin gerade dabei, neue Beiträge zu verfassen.
Damit ihr aber nicht immer hier reinschauen müsst, ist es jetzt für diejenigen, die sich auf dem Blog angemeldet haben, möglich eine Benachrichtigung per Mail zu bekommen, wenn ein neuer Beitrag oder neue Bilder hochgeladen wurden. Dazu müsst ihr in der Menüleiste links in dem Menü "User Status" auf "Abonnements" klicken, und dann auf "E-Mail Abo aktivieren" gehen.
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teegernseher82 - 5. Dez, 23:29
Neue Bilder sind online, zu finden in dem Bilderalbum "A walk in the snow".
teegernseher82 - 5. Dez, 22:01
Nächster Tag, selbiges Problem. Da wir am Tag zuvor viel zu spät ins Bett gekommen sind, sind wir am morgen auch wieder viel zu spät los gekommen. Ariane musste zur Arbeit eilen, und Gwen und ich sind in Richtung Newry und Slieve Gullion aufgebrochen.
Slieve Gullion ist wirklich spannend. Es ist ein einzeln stehender, runder Berg, und um diesen Berg ist ein Ring von Felsen, die etwa einen Kilometer vom Fuß des Berges diesen einbetten. Keiner weiß, wie diese Konstruktion wirklich entstanden ist, aber es wird vermutet, dass vor Millionen von Jahren der Berg ein Vulkan gewesen ist, und dieser Ring aufgrund von vulkanischer Aktivität gebildet wurde. Rund um den Berg liegen viele kleine beschauliche Dörfer, die wie aus dem Bilderbuch aussehen.
Leider hat meine Zeit nur für eine kurze Führung mit dem Auto gereicht. In Newry habe ich mich von Gwen verabschiedet und bin in den Zug nach Dublin gestigen.
Man sollte meinen, dass es in einer Stadt von Welt wie Dublin es zu sein scheint, kein Problem sei, vom Hauptbahnhof irgendwie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Fährhafen zu kommen. Pustekuchen. Erst einmal musste ich 40 Minuten auf einen Bus warten, der mich in die Nähe des Hafens brachte (was extrem nervig war vor allem auf Grund dessen, dass an der Bushaltestelle kein Fahrplan aushing). Aber auch dieser Bus fuhr nur in die Nähe des Fährhafens, was bedeutete, dass noch ein 20 Minuten langer Fußmarsch vor mir lag. Zum Glück war ich rechtzeitig genug losgefahren, um all das in Kauf nehmen zu können.
Für den Rückweg hatte ich die schnelle Fähre gebucht, das heißt statt 3,5 Stunden auf See war ich jetzt nur 2 Stunden unterwegs, was mir aber auch gereicht hat. Ich hab übrigens nicht aus dem Fehler gelernt, den ich auf der Hinfahrt gemacht habe, und hab mir etwas zu Essen bestellt. Das Ergebnis war dasselbe, es war ekelhaft.
Es klingt zwar etwas komisch, wenn ich schreibe, dass die nächsten zweieinhalb Stunden im Zug wie im Fluge vergingen, dem war aber so. Und damit meine ich nicht, dass mein Zug plötzlich abgehoben ist.
Mein Auto war immer noch da wo ich es vorher geparkt hatte, und ich war auch irgendwie froh, wieder zu Hause zu sein. Aber schön war es doch.
teegernseher82 - 2. Dez, 01:30
Etwas verspätet nun die restlichen Berichte von meiner Irlandreise.
wie am Ende des letzten Eintrags bereits angedeutet, wollten wir am fünften Tag Gelncolumbkille recht frühzeitig in Richtung Belfast verlassen, wo wir dür die Nacht bei Ariane, einer gemeinsamen Freundin, unterkommen würden. Leider hat mein Ohr mich kaum schlafen lassen, daher sind wir erst recht spät aufgebrochen. Von MAry, unserer Hostelwirtin, konnten wir uns leider nicht verabschieden, da sie bereits am Samstag in Richtung Dublin aufgebrochen war, um einen Check-Up im Krankenhaus zu machen. Es ist schon merkwürdig, dass sie das nur in einem Krankenhaus machen konnte, dass sechs Stunden Autofahrt weg ist. Das ist so, als ob man von der Ostsee nach Köln ins Krankenhaus fährt um sich überprüfen zu lassen.
Aber wir konnten natürlich nicht fahren, ohne noch mal in dem Fabrikladen in Ardara vorbei zu schauen, den wir zwei Tage zuvor geschlossen vorgefunden hatten. Das Ergebnis war eher zermürbend. Auf Grund des geringen Absatzes waren die Preise so gestiegen, dass sie für uns nicht erschwinglich waren. Ich zumindest habe nicht das Geld, 90 Euro für einen Pullover auszugeben.
Nach dieser Enttäuschung haben wir uns auf den Weg nach Enniskillen gemacht. Auf dem Weg dorthin lagen, direkt am Lough Erne gelegen, die Burgen Tully Castle und Monea Castle. Beide Burgruinen waren frei zugänglich, vor allem, weil wir außerhalb jeglicher Saison da waren, wir die einzigen waren die den Abstecher zu den Burgen in Kauf nahmen und es absurd kalt war. Aber das hat uns nicht weiter gestört, auch wenn es wahrscheinlich nicht allzu gut für mein Ohr war.
Ennsikillen war nicht so spannend wie wir es uns eigentlich erhofft hatten. Es gibt auch hier ein "Schloss" oder mehr eine Reihe von eher schlicht aussehenden Gebäuden, die sich Schloss nennen. Eigentlich nur das allein stehende Gebäude im Innenhof kann von sich behaupten, einen schlossähnlichen Charakter zu haben. In eben diesem Gebäude ist ein mäßig interessantes Museum, das einen über die Geschichte Enniskillens restlos aufklärt. Da uns das aber nun nicht so übermäßig interessiert hat, haben wir uns in die Stadt aufgemacht, um etwas zu essen zu finden. Leider mussten wir da feststellen, dass der Rest der Stadt ein Spiegelbild dieses Möchtegern-Schlosses ist. Alles sieht grau und langweilig aus. Nur die surreal große Kirche in der Ortsmitte stach da heraus. Also schnell weiter.
Gwen hat ihre Diplomarbeit als LAndschaftsarchitektin über ein Gebiet in der Nähe von Belfast geschrieben, und zwar das Gebiet um den Berg Slieve Gullion herum. Eigentlich hatten wir uns vorgenommen, da noch einen kurzen Abstecher hin zu machen, bevor wir nach Belfast fuhren. Da wir aber viel zu spät aufgebrochen waren, gab es dafür keine Zeit mehr. Gwen versprach mir aber dafür, am nächsten morgen noch einmal dahin fahren zu wollen. Sliee Gullion liegt nahe der Stadt Newry, von da aus könnte ich dann einen Zug in Richtung Dublin und Fähre nach Hause nehmen.
Als wir gegen 18.30 Uhr in Belfast angekommen waren, war es zwar schon dunkel, aber unsere Verabredung mit Ariane war erst um 21 Uhr. Gwen's Idee war, in ein bestimmtes alternatives Kino in Belfast zu gehen. Als wir dort angekommen waren, war der einzige laufende Film an dem Abend leider schon seit einer halben Stunde dran. Also setzten verbrachten wir die Zeit in einem netten Café.
Ariane ist jemand, der immer etwas zu tun haben muss. Eigentlich ist sie Belgierin und arbeitet erst seit ein paar Jahren in Belfast für die EU, hat aber in der Zeit alle VHS Kurse von Fotografie über Malerei bis hin zu Marionettenmachen leicht gemacht. Letzteres war der Kurs, von dem sie an dem Abend nach Hause gehetzt kam. Wir hatten ein wunderbares Abendessen (welches Gwen und ich vorbereitet hatten, glücklicherweise) und ein langes Gespräch bis weit nach Mitternacht.
teegernseher82 - 2. Dez, 00:24
Über Tag Vier gibt es leider nicht allzu viel zu berichten. Meine Ohrenschmerzen sind, trotz Antibiotika und Schmerztabletten schlimmer geworden. Ich habe mich also mit einem guten Buch in die gute Stube gesetzt und wieder einmal die tolle Aussicht bewundert.
Gwen hatte sich früh zu einer Wanderung über den Hügel zum Strand von Malin Beg aufgemacht. Da wir zu dem Zeitpunkt die einzigen Gäste im Hostel waren, hatte ich meine Ruhe und genoss das auch. Nur Leo, der Hostelwirt war da, mit dem ich mich auf eine interessante Debatte über die Wirtschaftskrise in Irland eingelassen habe. Gerade diese Gegend ist davon extrem stark betroffen, da es hier außer dem Tourismus und der Wollindustrie kaum Arbeitsplätze gibt, und beide Industrien sind gerade extrem stark bedroht. Leo meinte, dass auch sie starken Besucherschwund bemerkt hätten und vermutlich zum ersten Mal seit bestehens des Hostels über Winter schließen werden.
Irgendwann ist Gwen dann auch wieder gekommen, und wir haben uns nach einem schnellen Abendessen in einen der drei lokalen Pubs begeben, einerseits um einem Ceilidh, als einer traditionellen irischen Musiksession beizuwohnen, und nebenbei um unsere Route für die Fahrt nach Belfast am nächsten Tag zu planen. Es gab ein paar Sehenswürdigkeiten auf dem Weg, so dass wir geplant haben, möglichst früh los zu fahren. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Hinter uns die Musiker fiedelten vor sich hin. Der Hauptfiedler war Donaghue, ein älterer Herr mit einem extrem prominenten weißen Bart. Er ist eigentlich bei jedem Ceilidh hier in der Gegend vertreten. Zumindest ist er immer dabei, wenn ich in der Gegend bin. Dia anderen um ihn herum waren wohl eher seine Schüler, die hatten manchmal so ihre Probleme mit ihren Instrumenten, habe ich mir sagen lassen. Ich hab ja nur die Hälfte von allem mitbekommen.
teegernseher82 - 25. Nov, 00:34
Nch einer nicht sehr schlafreichen Nacht und einem genügsamen Frühstück machten wir uns auf nach Ardara, einem etwa 40 km weit entfernten Ort. Ardara ist Irlands Hauptstadt in Sachen Wollfabriken. Das beste daran ist, dass man dort echte Schafswollkleidung direkt ab Fabrik kaufen kann, also preiswerter als im normalen Handel. Ein Grund für uns, einen Abstecher dorthin zu machen.
Der Weg nach Ardara ist sehr abenteuerlich. Die Straße führt 40 km durch wunderschönste Landschaft. Die Straße passt sich der Landschaft insofern an, dass sie möglichst wenig Platz von dieser Landschaft wegnimmt. Oder anders gesagt: Sie ist eng, kurvig und extrem hügelig. Der dramatische Höhepunkt ist der Glengesh Pass, von wo aus man einen wunderschönen Ausblick über die Bucht von Ardara hat. Von hier aus schlängelt sich die Straße in fast halsbrecherischer Manier hinunter bis man schließlich wenige Minuten später wieder auf Meeresspiegelniveau ankommt.
Leider hatte der Laden, weswegen wir dorthin gefahren sind, seit neuestem Samstags zu. Auch hier hat der lange Arm der Rezession zugeschlagen. Wie wir später gehört haben, hat die Firma andere Läden in der Gegend beereits schließen müssen, da teure Schafswollpullover ein Luxusgut sind und nicht benötigt werden. So mussten wir den Besuch dort auf Montag verschieben udn haben uns dazu entschlossen, nach einer kleinen Stärkung eine kleine Wanderung zu unternehmen. Mein Ohr war immer noch ziemlich schmerzhaft, so dass ich nur kleine Wanderungen machen konnte. Wir sind also mit dem Auto los gefahren, um einen Wasserfall zu erkunden, zu dem wir vorher einen Wegweiser gesehen haben. Das war eher enttäuschend, denn es gab nicht wirklich viel zu sehen. Aber wir haben dort eine Alternativroute zurück nach Gelncolumbkille gesehen. Diese führte über eine Straße, die nicht einmal auf unserer Karte eingezeichnet war. Eigentlich war die Straße mehr ein Feldweg, der

ziemlich steil den Berg rauf führte. Wir haben es gewagt und sind rauf zum Maghera Pass gefahren. Der Weg war allerdings gespickt mit Schlaglöchern und Und es hat sich gelohnt. Die Gegend durch die wir jetzt fuhren war absolut fantastisch. Ab und zu kamen wir an sehr entlegenen Bauernhöfen vorbei. Jedes mal fragten wir uns, ob da die straße wohl enden würde, aber es ging immer weiter, bis wir etwa eine halbe Stunde später wieder in bekanntes Gebiet kamen. Wir stießen auf die Straße on Ardara nach Port, einem verlassenen Fischerdorf, von wo aus wir den Weg nach Glencolumbkille einfach gefunden haben.

Im Hostel gibt es einen sogenannten Common Room, von dessen großem Fenster aus man die Bucht von Glencolumbkille und den Strand überblicken kann. Den Rest des Tages habe ich dort lesend verbracht. Von Zeit zu Zeit habe ich aus dem Fenster geschaut und ich war wirklich erstaunt, wie stark das Wetter die Farben der Umwelt beeinflusst.
teegernseher82 - 22. Nov, 01:04
Kells an sich ist eine recht graue Stadt. Die einzigen Sehenswürdigkeiten hier sind ein paar sehr alte (und sehr große) keltische Kreuze, die wir uns pflichtgemäß vor unserer Weiterfahrt angeschaut haben. Mäßig beeindruckt haben wir unseren Weg fortgesetzt. In Cavan, dem ächsten größeren Ort. Dort haben wir uns erst mal ein "FullIrish Breakfast" gegönnt.
Die Engländer wie auch die Iren haben das Prinzip "Frühstücke wie ein König" eigentlich ganz gut begriffen, nur dass sie auch zu Mittag und zu Abend wie ein König essen. Vor uns erstreckte sich ein Meer an Würstchen, Kartoffelfladen, einem Spiegelei, Baked Beans, Toastbrot und Soda Bread in Begleitung von einem wunderbaren Kaffee. Es kann keinen besseren Weg geben, den Tag zu beginnen.
Kurz hinter Cavan, als wir gerade einen kleineren Fluss überquert hatten, änderte sich mit einem Mal die Straßenmarkierung. Wir waren nun nicht mehr in der Republik Irland, sondern in dem stiefmütterlich alleingelassenen Außenposten des Vereinigten Königreichs, Nordirland. Obwohl unser Zielort im Nordwesten der Republik Irland lag, fühte uns der direkte Weg durch dieses ehemalige Krisengebiet. Noch vor zehn Jahren wäe es nicht möglich gewesen, die Genze ohne genaueste Kontrollen zu passieren. Heute weiß man nur, dass man die Grenze passiert hat, weil die Straßenmarkierung anders ist und weil einSchild am Straßenrand steht, dass von nun an alle Höchstgeschwindigkeitsbegrenzungen in Meilen angegeben werden.
Die Gegend zwischen Cavan und Enniskillen, der nächsten Stadt auf der Nordirischen Seite ist wuinderschön. Dort gibt es sehr viele Flüsse und Seen, bei denen es scih ischerlich lohnen würde, diese einmal von einem Kanu aus zu erkunden. Unglücklicherweise haben mich keine meiner bisherigen Reisen auf die Grüne Insel in dieses Gebiet geführt, und auch dieses Mal würde ich nur staunend daran vorbei fahren. Ich habe mir aber eine mentale Notiz gemacht, mir diese Gegend noch einmal genauer anzuschauen.
Von Enniskillen aus fährt man eine ganze Weile am Upper Lough Erne entlang in eine bevor man in eine Gegend kommt, die man sehr gut als karg bezeichnen kann.
Etwas nördlich des Sees liegt der kleine Ort Pettigoe. Dieser Ort ist so pittoresk wie man es sich für ein kleines irisches Dorf nur vorstellen kann. Alles wirkt auf jene Art heruntergommen, die einen trotzdem noch die Schönheit im gesamten bestaunen lässt. Mitten durch den Ort fließt ein Fluss - der auch gleichzeitig die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland ist. Am einen Ende des Ortes zahlt man mit Pfund, am anderen mit Euro.
Wenn man den Ort in Richtung Nordwesten verlässt, ist man sofort der kargen Schönheit Donegals ausgesetzt. Die Hügel in dieser Gegend sind sehr felsig und mi Moos und Gräsern bewachsen, viel mehr Vegetation gibt es hier aber nicht, und die ersten Häuser kamen erst wieder ca. 30 km später in Sicht.
Etwa eine halbe Stunde später kamen wir in Donegal, der Hauptstadt von der gleichnamigen Grafschaft an. Wir nutzten die Gelegenheit, uns mit genug Lebensmitteln einzudecken, denn wir waren kurz davor, das Land der ungewöhnlichen Öffnungszeiten und der begrenzten Auswahl zu betreten. Dort wo wir hin fuhren gab es im Umkreis von 30 km keinen Supermarkt.
Von Donegal aus führt die Straße nach Westen an der Küste entlang und offeriert dem aufmerksamen Beifahrer ein paar schöne Ausblicke auf den Atlantik. Zunächst ist die Straße noch zweispurig, aber nur bis z dem Ort Killybegs. Hier, im kargen, spärlich besiedelten Nordwesten Irlands liegt der größte Fischereihafen des Landes, und nicht etwa z.B. in der Nähe von Dublin oder Galway weiter im Süden. Der Hafen beherrscht den Ort, denn mher als knapp über 1000 Menschen leben hier auch nicht. Nach Killybegs wird das Land hügeliger und rauher, und die enge Straße führt einen rauf in die Hügel. Hier und da kommt ein (meist neu gebautes) Haus in Sicht, aber ansonsten gibt es karge Hügel und ab und zu mal ein bisschen Meer zu sehen.
Nach weiteren 20 km kommt das Wahrzeichen dieser Gegend in Sicht: der Slieve League.
Dieser Berg hat die höchsten Klippen am Meer in ganz Europa und die sind wirklich spektakulär. Um nach Glencolumbkille zu kommen, muss man um den Slieve League herum bis zur westlichen Spitze fahren. Der Ort liegt an einer relativ windgeschützten Bucht und hat etwa 500 Einwohner. Auf den ersten Blick sind mir aber die vielen Neubauten aufgefallen, die seit meinem letzten Besuch in 2007 gebut wurden. Leider sind viele Häuser nur zur Hälfte fertig gestellt oder aber nie bezogen worden, da die Rezession Irland sehr schwer getroffen hat. Speziell in dieser sehr abgelegenen Gegend ist diese Krise sehr stark ausgefallen, da die einzigen vorhandenen Industrien die Verarbeitung von Schafswolle und der Tourismus sind. Der Tourismus hat stark nachgelassen, und daher kommen auch weniger Leute dahin, um Produkte von den Wollfabriken zu kaufen. Dazu aber später mehr.
Den Weg zu Dooeys Hostel kann man als nicht ortskundiger schon mal verpassen. Vom Ort as führt ein kleiner, schlecht erhaltener Weg den Berg herauf. Zwar hängt an der Abzweigung ein Schild "Hostel", aber das ist so krumm und schief dass man nicht erwarten würde, dort oben am Berg tatsächlich noch eins vorzufinden. Die Straße rauf zu dem Hostel ist sehr abenteuerlich und nichts für tiefergelegte Autos.
teegernseher82 - 10. Nov, 23:13
Gut Ding will Weile haben, bessere Dinge passieren spontan. So auch diesmal. Ich hatte Mitte Oktober ein paar freie Tage und fragte mich gerade, was ich damit anfangen solle, als mich eine Mail von einer Freundin aus Frankreich erreichte.
Gwen habe ich vor ein paar Jahren bei einem meiner vielen Besuche in dem kleinen Ort Glencolumbkille kennen gelernt. Anfangs hatten wir und ein paar andere Leute beschlossen, uns jedes Ostern in dem Dorf zu treffen. Da das aber aus verschiedenen Gründen nicht geklappt hat, hatten wir uns seit 2,5 Jahren nicht mehr gesehen. Dann kam, eine Woche vor meinem Urlaub eine Mail von ihr, dass sie genau zu diesem Zeitpunkt nach Irland, genauer gesagt nach Glencolumbkille fahren würde. Prima, dachte ich mir, und hab noch bevor ich ihr zurückgeschrieben habe die Fährverbindungen für mich herausgesucht. Es war abgemachte Sache, ich fahre nach Irland.
Mein Auto ließ ich zu Hause, denn a) mit Zug und Fähre zu fahren war billiger als mit Auto und Fähre, und b) Gwen kam mit ihrem Auto von Frankreich her. Da Frankreich zu dem Zeitpunkt im Streikchaos versank, gab es für sie auch keine andere Möglichkeit.
Die Fahrt von meinem Heimatort nach Holyhead zur Fähre ist an sich schon eine Reise wert. Der Zug fährt entlang der Nordküste von Wales durch solche netten Orte wie Penmaenmawr, Llanfairfechan und Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch, fast die ganze Zeit über an der Küste entlang. Eigentlich ist die Strecke nach Holyhead gar nicht so weit, aber da der Zug ein eher gemütliches Tempo fuhr ich erst nach gut 2,5 Stunden im dortigen Bahnhof ein.
Der Bahnhof und das Check-In Terminal sind netterweise in einem Gebäude. Eigentlich hätte ich meinen Rucksack am Schalter als Fracht abgeben müssen (zu groß), aber ich bin einfach so damit durch die Kontrollen gegangen. Obwohl die Dame am Schalter einen Aufkleber dran geklebt hat, wurde ich von der Security nicht aufgehalten. In dem Rucksack war alles, was mir während der Fahrt Abwechslung und Amusement bringen sollte, das wollte ich nicht aufgeben. Die Fähre an sich war ganz OK. Das Sandwich, das ich mir auf der Fähre bestellt habe, war es nicht. Detail will ich euch ersparen, aber so schnell werde ich auf dieser Fähre nichts mehr essen.
In Dublin angekommen wurden wir, die ohne Auto unterwegs waren, erst mal nicht raus gelassen: Es war keine Gangway vorhanden, über die wir das Schiff hätten verlassen können. Also mussten wir warten, bis alle Autofahrer weg waren, bevor Shuttle - Busse in das Schiff reinfahren konnten und uns Fußgänger zum Terminal bringen konnten.
Zeitlich war das ganze trotzdem super abgestimmt. Gwen ist zwei Stunden vor mir in Rosslare im Süden Irlands angekommen, genau die Zeit die man braucht, um von dort nach Dublin zu kommen. Ich war kaum angekommen, da war sie auch schon da um mich abzuholen. Das nenne ich Service.
Glencolumbkille ist ganz im Nordwesten von Irland, und von Dublin aus braucht man mit dem Auto gute fünf bis sechs Stunden. Da es schon 18 Uhr und somit ziemlich dunkel war, versuchten wir, so schnell wie möglich unseren Weg aus Dublin heraus zu finden. Die Taktik "wir fahren mal und schauen wo wir raus kommen" hat sich dabei als wenig hilfreich heraus gestellt. Erst als wir schon eine halbe Stunde herumgeirrt waren, ist Gwen eingefallen, dass sie ja einen Stadtplan von Dublin dabei hat ... Mit dessen Hilfe waren wir dann auch innerhalb von 20 Minuten aus der Stadt raus und auf dem Weg in Richtung Nordwesten.
Glencolumbkille liegt im äußersten Nordwesten von Irland, und von Duiblin aus braucht man gute 5 bis 6 Stunden. Wir mussten also irgendwo einen Platz zum Übernachten finden. Der Ort Kells war dafür wie prädestiniert. Gwen hat dort schon einmal in dem örtlichen Hostel übernachtet und es für gut befunden. Also haben wir uns auf die Suche danach gemacht. Nach längerem nächtlichen herumirren haben wir es auch gefunden - in geschlossenem Zustand. Da das Hostel nun vermutlich ein Opfer der Rezession geworden ist, mussten wir

uns leider nach teureren Optionen der Akkomodation umschauen, und haben uns schließlich bei einem Pub mit Gästezimmern einquartiert. Nachdem das erste Grundbedürfnis gedeckt war blieb noch die Ernährungsfrage: indisch oder chinesisch? Auch hier fanden wir nach längerem suchen ein nettes China-Restaurant, das nicht zu teuer war und trotzdem gutes Essen versprach. Nach dem Essen wäre ein guter Schlaf eigentlich obligatorisch gewesen, leider hat mir eine Ohrentzündung zu schaffen gamcht, die ziemlich schmerzhaft war und gegen die auch alle Schmerzmittel der Welt nicht geholfen haben. Irgendwann siegte aber die Müdigkeit und ich hab doch etwas Schlaf bekommen.
Was am nächsten Tag passierte, gibt es im nächsten Beitrag zu lesen ...
teegernseher82 - 10. Nov, 21:04
Schon etwas wehmütig habe ich mich heute von meinem Hostel aus zum Bahnhof aufgemacht, um Cardiff gezwungenermaßen wieder den Rücken zu kehren. Es war noch recht früh am morgen, da ich aus meiner Rückreise ins heimische Shropshire auch noch das bestmögliche herausholen wollte. Ein Blick in meinen Reiseführer am Abend zuvor hat mich auf das Örtchen Brecon, am nördlichen Rand der Brecon Beacons gelegen, aufmerksam gemacht. Von diesem schönen Dorf aus sollte man gute Gelegenheiten haben, den angrenzenden Brecon Beacon National Park zu erkunden. Also habe ich mich in den Zug nach Abergavenny gesetzt. Dieser hätte mich, wenn ich gewollt hätte, auch direkt nach Shrewsbury gebracht, aber zu einfach ist ja langweilig. Also bin ich in Abergavenny ausgestiegen, um den Bus nach Brecon zu nehmen. Ein Blick auf die Tafel am Busbahnhof zeigte mir an, dass der Bus nach Brecon aber nur alle zwei Stunden fuhr, und ich noch mehr als eine Stunde Zeit hatte, mir die Stadt mitsamt ihrer Burg anzuschauen. Letztere ist eigentlich nur eine Ruine, nur die ehemalige "Motte" (was das ist habe ich ja schon gestern erklärt) steht noch unbescholten da. Der Eintritt in das Gelände und vor allem auch in das Museum in der Motte ist netterweise frei. Die erhoffte Gelegenheit, gute Bilder von der Burgruine zu machen, ergab sich leider nicht, weil a) das Wetter dazu nicht geeignet war (der Himmel war grau in grau) und b) alles mit Bauzäunen vollgestellt war, die den Blick verschandelten. Schade. In der Motte gab es ein kleines aber feines Museum mit mehreren Ausstellungen, die überhaupt nichts mit der Burg zu tun hatten. In einem Raum gab es eine Ausstellung von Menschen, die sich mit ihren Haustieren haben fotografieren lassen, alle Exponate aus der Zeit der frühen 80er. Ein Bild hat mich in seinen Bann gezogen, das zeigte die "Merthyr Tydfil Skinheads 1983", eine Gruppe von ca. 25 mehr oder wenigen Kurzhaarigen Menschen mitsamt einem Hund in ihrer Mitte. Das Bild stach doch sehr heraus aus der Ausstellung, die sonst hauptsächlich bäuerliche Figuren zum Motiv hatte.
Die Stadt an sich ist relativ ansehnlich und hätte mir wohl bei besserem Wetter auch zum verweilen gereicht, aber die Wettervorhersage hatte mir beschieden, dass das Wetter gen Westen besser sein sollte. Das war die Richtung meiner ursprünglichen Bestimmung, also bestieg ich den Bus nach Brecon.
Auf dem Weg dorthin liegt der malerische Ort Crickhowell. Bei mir als Tolkienfan läuteten da alle Glocken. Denn jenseits des Brandywein-Flusses im ans Auenland angrenzende Bockland gibt es einen Ort mit namen Krickloch. Dieser Ort wurde von den Brandybucks, also der Familie Merry's gegründet, um Gäste der Familie, die im Nahe gelegenen Brandyschloss wohnen, beherbergen zu können. In der englischen Originalausgabeheißt dieser Ort Crickhollow. Jegliche Ähnlichkeit ist vermutlich nciht zufällig-
Jenes Crickhowell, durch das ich heute gefahren bin, sah so aus, als würde es direkt aus Tolkiens Buch herausgerissen sein. Nicht nur die grünen Hügel in der Umgebung trugen dazu bei , ein gewisses Auenland - Flair herzustellen, auch der Ort an sich hat das seinige dazu beigetragen mit seinen verwinkelten Gassen, den vielen alten Fachwerkhäusern und Pubs mit urigen Namen wie The Dragon Inn oder The Vine Tree Inn.
Nahebei liegt übrigens ein Herrenhaus namens Buckland Hall, dass durchaus auch etwas mit der Namensgebung für das Bockland (im englischen Original natürlich Buckland) zu tun haben könnte. Ich fühlte mich für eine kurze Zeit so, als ob ich in Mittelerde wäre.

Dort angekommen musste ich leider feststellen, dass ich nicht westlich genug gefahren bin, das Wetter war immer noch eine einzige graue Suppe am Himmel. Zum Glück hat es nicht geregnet. Brecon darf sich nach gutem englischen Recht eine Stadt nennen, denn es hat eine Kathedrale. Verglichen mit größeren ihrer Art wie z.B. in Chester oder Liverpool ist diese allerdings ziemlich klein geraten. Mit dem Drumherum hat man sich allerdings mehr mühe

gemacht, denn sie liegt in einer wunderschönen Parklandschaft am River Honddu (Brecon heißt auf walisisch Aberhonddu), in der man mit mehr Muße als ich heute hatte bestimmt sehr gut spazieren gehen kann.
Mich hat es nach dem Besuch der Kathedrale aber in das Stadtinnere gezogen, dem desperaten Wunsch nach einem Kaffee nachgebend. Da hatte ich ein kleines Café in einer Seitenstraße entdeckt, wo sogar der Name verraten hat, dass man sich hier aufs wesentlichste konzentriert (The Café). Ich war zum Zeitpunkt meines Eintretens der einzige Gast, kurz nach mir kam aber ein älterer Herr, der auch shcon mit mir im Bus gesessen hatte und der die Dame hinter der Theke wohl kannte. Nach einer kurzen einleitenden Unterhaltung ihrerseits kam ihr Gespräch aus dem Nichts heraus auf Deutsche Würste und wie gut die doch seien. Der Mann versuchte anscheinend, der Frau zu imponieren indem er seine Deutschkenntnisse hervorkramte und immer wieder "Deutsch, Deutsch" sagte. Als er dann versuchte, das dann auch noch zu buchstabieren versackte er ein wenig nach dem "D-E-U-T ..." Ob die beiden wussten, dass ich deutsch war? Ich hatte eigentlich angenommen, dass mein Akzent sich in den letzten 7 Monaten etwas ausgewaschen hat.
Ich hatte zwei Möglichkeiten von hier weg zu kommen. Möglichkeit 1: Ich konnte den letzten Bus zurück nach Abergavenny um 17.50 Uhr nehmen, um von dort meine Reise mit dem Zug fortzusetzen, oder, und das war Möglichkeit 2: Ich könnte den letzten Bus nach Hereford um 16.05 nehmen. Dieser fuhr zwar fast zwei Stunden früher und die Fahrt würde eine Stunde und vierzig Minuten dauern, würde mich aber auch durch das schöne Hay-on-Wye bringen. Ich war frühzeitig mit der Besichtigung Brecons fertig, und da ein längerer Spaziergang in der Natur bei diesem Wetter auch keinen Sinn gemacht hätte, habe ich den Bus nach Hereford genommen.
Es gibt eine direkte, gut ausgebaute Straße zwischen Brecon und Hereford. Und es gibt einspurige, verwinkelte Country Lanes, gesprenkelt mit Bauernhöfen und ab und zu mal einem kleinen Dörfchen. Warum man sich dazu entschieden hat, die Buslinie 39 über die entlegensten kleinen Sträßchen zu lotsen, weiß ich nicht, aber ich mochte diese Entscheidung. Kaum aus Brecon heraus kamen wir für eine ganze Weile nur noch im Stop & Go - Verfahren weiter, da die Straßen zu eng wurden, um zwei Fahrzeuge aneinander vorbei fahren zu lassen, so dass der Bus immer da halten musste, wo gerade Platz war, um den nächsten Trecker, oder schlimmer noch, den entgegenkommenden Bus vorbei zu lassen. Auf diesem Wege habe ich solch schöne Orte wie Talgarth, Three Cocks (bisschen anzüglich sind die Walliser ja schon) und Glasbury geshen.
Hay-on-Wye ist nur ein kleiner Punkt auf meiner großen Autokarte, aber es fehlt in keinem Reiseführer. Der Grund dafür ist nicht irgendeine architektonische Schönheit oder wahnsinnig tolle Natur, nein. Hay-on-Wye ist die Antiquariatsstadt Großbritanniens. Sage und schreibe 29 Gebrauchtbücherläden gibt es hier, von den Bücherflohmärkten mal ganz abgesehen. Vom Bus aus gesehen macht Hay-on-Wye außerdem auch einen ganz passablen Eindruck. Es bleibt in meinem Hinterkopf gespeichert als Tagesausflugsziel, falls mein Bedarf an Büchern mal wieder steigen sollte.
Von Haye aus fuhr der Bus wieder die gewohnten engen Sträßchen entlang, durch Hardwicke, Westbrook, Dorstone, Peterchurch, Vowchurch, Kingstone, Clehonger, Belmont bis der Bus dann urplötzlich die Country Lanes verließ und durch die Ankunft an einem großen Shiopingcenter verkündete, dass wir endlich in Hereford angekommen waren. Die Stadt soll sehr schön sein, und auch hier wäre ich gerne etwas länger geblieben, aber es war schon sehr spät und die weitere Rückreise mit der Bahn von Hereford nach Gobowen würde nochmal mehr als eine Stunde dauern, da ich in Shrewsbury umsteigen und eine halbe Stunde auf meinen Zug hab warten müssen.
Das Ende meines Kurzurlaubs war nun gekommen. Ich habe in den drei Tagen soviel erlebt und gesehen wie es überhaupt nur möglich war. Mich hat das Reisefieber wieder gepackt. Wohin es das nächste Mal geht, weiß ich aber noch nicht.
Bis bald Ingo
teegernseher82 - 27. Sep, 23:23