Montag, 27. September 2010

Eine Odyssee durch die Brecon Beacons

Schon etwas wehmütig habe ich mich heute von meinem Hostel aus zum Bahnhof aufgemacht, um Cardiff gezwungenermaßen wieder den Rücken zu kehren. Es war noch recht früh am morgen, da ich aus meiner Rückreise ins heimische Shropshire auch noch das bestmögliche herausholen wollte. Ein Blick in meinen Reiseführer am Abend zuvor hat mich auf das Örtchen Brecon, am nördlichen Rand der Brecon Beacons gelegen, aufmerksam gemacht. Von diesem schönen Dorf aus sollte man gute Gelegenheiten haben, den angrenzenden Brecon Beacon National Park zu erkunden. Also habe ich mich in den Zug nach Abergavenny gesetzt. Dieser hätte mich, wenn ich gewollt hätte, auch direkt nach Shrewsbury gebracht, aber zu einfach ist ja langweilig. Also bin ich in Abergavenny ausgestiegen, um den Bus nach Brecon zu nehmen. Ein Blick auf die Tafel am Busbahnhof zeigte mir an, dass der Bus nach Brecon aber nur alle zwei Stunden fuhr, und ich noch mehr als eine Stunde Zeit hatte, mir die Stadt mitsamt ihrer Burg anzuschauen. Letztere ist eigentlich nur eine Ruine, nur die ehemalige "Motte" (was das ist habe ich ja schon gestern erklärt) steht noch unbescholten da. Der Eintritt in das Gelände und vor allem auch in das Museum in der Motte ist netterweise frei. Die erhoffte Gelegenheit, gute Bilder von der Burgruine zu machen, ergab sich leider nicht, weil a) das Wetter dazu nicht geeignet war (der Himmel war grau in grau) und b) alles mit Bauzäunen vollgestellt war, die den Blick verschandelten. Schade. In der Motte gab es ein kleines aber feines Museum mit mehreren Ausstellungen, die überhaupt nichts mit der Burg zu tun hatten. In einem Raum gab es eine Ausstellung von Menschen, die sich mit ihren Haustieren haben fotografieren lassen, alle Exponate aus der Zeit der frühen 80er. Ein Bild hat mich in seinen Bann gezogen, das zeigte die "Merthyr Tydfil Skinheads 1983", eine Gruppe von ca. 25 mehr oder wenigen Kurzhaarigen Menschen mitsamt einem Hund in ihrer Mitte. Das Bild stach doch sehr heraus aus der Ausstellung, die sonst hauptsächlich bäuerliche Figuren zum Motiv hatte.
Die Stadt an sich ist relativ ansehnlich und hätte mir wohl bei besserem Wetter auch zum verweilen gereicht, aber die Wettervorhersage hatte mir beschieden, dass das Wetter gen Westen besser sein sollte. Das war die Richtung meiner ursprünglichen Bestimmung, also bestieg ich den Bus nach Brecon.

Auf dem Weg dorthin liegt der malerische Ort Crickhowell. Bei mir als Tolkienfan läuteten da alle Glocken. Denn jenseits des Brandywein-Flusses im ans Auenland angrenzende Bockland gibt es einen Ort mit namen Krickloch. Dieser Ort wurde von den Brandybucks, also der Familie Merry's gegründet, um Gäste der Familie, die im Nahe gelegenen Brandyschloss wohnen, beherbergen zu können. In der englischen Originalausgabeheißt dieser Ort Crickhollow. Jegliche Ähnlichkeit ist vermutlich nciht zufällig-
Jenes Crickhowell, durch das ich heute gefahren bin, sah so aus, als würde es direkt aus Tolkiens Buch herausgerissen sein. Nicht nur die grünen Hügel in der Umgebung trugen dazu bei , ein gewisses Auenland - Flair herzustellen, auch der Ort an sich hat das seinige dazu beigetragen mit seinen verwinkelten Gassen, den vielen alten Fachwerkhäusern und Pubs mit urigen Namen wie The Dragon Inn oder The Vine Tree Inn.
Nahebei liegt übrigens ein Herrenhaus namens Buckland Hall, dass durchaus auch etwas mit der Namensgebung für das Bockland (im englischen Original natürlich Buckland) zu tun haben könnte. Ich fühlte mich für eine kurze Zeit so, als ob ich in Mittelerde wäre.

Brecon-CathedralDort angekommen musste ich leider feststellen, dass ich nicht westlich genug gefahren bin, das Wetter war immer noch eine einzige graue Suppe am Himmel. Zum Glück hat es nicht geregnet. Brecon darf sich nach gutem englischen Recht eine Stadt nennen, denn es hat eine Kathedrale. Verglichen mit größeren ihrer Art wie z.B. in Chester oder Liverpool ist diese allerdings ziemlich klein geraten. Mit dem Drumherum hat man sich allerdings mehr mühe Brecon-Cathedral1gemacht, denn sie liegt in einer wunderschönen Parklandschaft am River Honddu (Brecon heißt auf walisisch Aberhonddu), in der man mit mehr Muße als ich heute hatte bestimmt sehr gut spazieren gehen kann.
Mich hat es nach dem Besuch der Kathedrale aber in das Stadtinnere gezogen, dem desperaten Wunsch nach einem Kaffee nachgebend. Da hatte ich ein kleines Café in einer Seitenstraße entdeckt, wo sogar der Name verraten hat, dass man sich hier aufs wesentlichste konzentriert (The Café). Ich war zum Zeitpunkt meines Eintretens der einzige Gast, kurz nach mir kam aber ein älterer Herr, der auch shcon mit mir im Bus gesessen hatte und der die Dame hinter der Theke wohl kannte. Nach einer kurzen einleitenden Unterhaltung ihrerseits kam ihr Gespräch aus dem Nichts heraus auf Deutsche Würste und wie gut die doch seien. Der Mann versuchte anscheinend, der Frau zu imponieren indem er seine Deutschkenntnisse hervorkramte und immer wieder "Deutsch, Deutsch" sagte. Als er dann versuchte, das dann auch noch zu buchstabieren versackte er ein wenig nach dem "D-E-U-T ..." Ob die beiden wussten, dass ich deutsch war? Ich hatte eigentlich angenommen, dass mein Akzent sich in den letzten 7 Monaten etwas ausgewaschen hat.
Ich hatte zwei Möglichkeiten von hier weg zu kommen. Möglichkeit 1: Ich konnte den letzten Bus zurück nach Abergavenny um 17.50 Uhr nehmen, um von dort meine Reise mit dem Zug fortzusetzen, oder, und das war Möglichkeit 2: Ich könnte den letzten Bus nach Hereford um 16.05 nehmen. Dieser fuhr zwar fast zwei Stunden früher und die Fahrt würde eine Stunde und vierzig Minuten dauern, würde mich aber auch durch das schöne Hay-on-Wye bringen. Ich war frühzeitig mit der Besichtigung Brecons fertig, und da ein längerer Spaziergang in der Natur bei diesem Wetter auch keinen Sinn gemacht hätte, habe ich den Bus nach Hereford genommen.

Es gibt eine direkte, gut ausgebaute Straße zwischen Brecon und Hereford. Und es gibt einspurige, verwinkelte Country Lanes, gesprenkelt mit Bauernhöfen und ab und zu mal einem kleinen Dörfchen. Warum man sich dazu entschieden hat, die Buslinie 39 über die entlegensten kleinen Sträßchen zu lotsen, weiß ich nicht, aber ich mochte diese Entscheidung. Kaum aus Brecon heraus kamen wir für eine ganze Weile nur noch im Stop & Go - Verfahren weiter, da die Straßen zu eng wurden, um zwei Fahrzeuge aneinander vorbei fahren zu lassen, so dass der Bus immer da halten musste, wo gerade Platz war, um den nächsten Trecker, oder schlimmer noch, den entgegenkommenden Bus vorbei zu lassen. Auf diesem Wege habe ich solch schöne Orte wie Talgarth, Three Cocks (bisschen anzüglich sind die Walliser ja schon) und Glasbury geshen.
Hay-on-Wye ist nur ein kleiner Punkt auf meiner großen Autokarte, aber es fehlt in keinem Reiseführer. Der Grund dafür ist nicht irgendeine architektonische Schönheit oder wahnsinnig tolle Natur, nein. Hay-on-Wye ist die Antiquariatsstadt Großbritanniens. Sage und schreibe 29 Gebrauchtbücherläden gibt es hier, von den Bücherflohmärkten mal ganz abgesehen. Vom Bus aus gesehen macht Hay-on-Wye außerdem auch einen ganz passablen Eindruck. Es bleibt in meinem Hinterkopf gespeichert als Tagesausflugsziel, falls mein Bedarf an Büchern mal wieder steigen sollte.
Von Haye aus fuhr der Bus wieder die gewohnten engen Sträßchen entlang, durch Hardwicke, Westbrook, Dorstone, Peterchurch, Vowchurch, Kingstone, Clehonger, Belmont bis der Bus dann urplötzlich die Country Lanes verließ und durch die Ankunft an einem großen Shiopingcenter verkündete, dass wir endlich in Hereford angekommen waren. Die Stadt soll sehr schön sein, und auch hier wäre ich gerne etwas länger geblieben, aber es war schon sehr spät und die weitere Rückreise mit der Bahn von Hereford nach Gobowen würde nochmal mehr als eine Stunde dauern, da ich in Shrewsbury umsteigen und eine halbe Stunde auf meinen Zug hab warten müssen.

Das Ende meines Kurzurlaubs war nun gekommen. Ich habe in den drei Tagen soviel erlebt und gesehen wie es überhaupt nur möglich war. Mich hat das Reisefieber wieder gepackt. Wohin es das nächste Mal geht, weiß ich aber noch nicht.

Bis bald Ingo

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