Samstag, 25. September 2010

Einmal Cardiff und zurück

Ich sollte öfter auf meinen Instinkt hören. Verkopfte Entscheidungen zu treffenführt oft nur dazu, dass man stundenlang hin und her überlegt, was man tun soll, und es dann am Ende doch zu spät ist, entweder das eine oder das andere zu tun. MIt dem Instinkt ist das anders, da geht das flutsch und weg und vor allem kein Zurück mehr.
Heute morgen hat mein Instinkt zu mir gesprochen und mir folgendes gesagt: "Ingo, Du hast jetzt drei Tage frei, also mach dich auf die Socken und erleb was. Geh nach Cardiff!". Ich schwöre, das waren exakt seine Worte. Also packte ich meine sieben Sachen und machte mich auf in Richtung Bahnhof. Ich hatte zwei Tage und Nächte auf Arbeit hinter mir und wollte mich mit Bedacht auf die anderen Straßenbenutzer nicht hinters Steuer setzen. Außerdem wollte ich auch aus dem Fenster schauen und die Landschaft genießen können.
Das konnte ich dann zur Genüge. In Shrewsbury musste ich umsteigen in einen Zug, der das unheimliche Glück hatte, hinter einem Güterzug herfahren zu müssen, der mit ungefähr Schrittgeschwindigkeit die Strecke entlang ächzte. Es hat eine gefühlte halbe Stunde gedauert, bis der Zug überhaupt aus dem Stadtgebiet heraus kam. Dieser nette Güterzug ist dann bis Hereford vor uns her gefahren, was ca. 60 km südlich von Shrewsbury entfernt ist. Wie gesagt, es gab viel Gelegenheit, sich die Gegend anzusehen. Das war aber auch gar nicht so schlimm, denn der Zug fuhr entlang der wunderschönen Shropshire Hills und der Brecon Beacons, bevor er dann im Süden von Wales durch die Hügel hindurch seinen Weg nach Cardiff fand und endlich ans Meer gelangte, wo er dann an der Küste entlang weiter fahren würde bis nach Carmarthen, letzteres allerdings ohne mich.
Das Empfangskommittee am Bahnhof von Cardiff bestand aus einer Hundertschaft Polizisten, in das übliche grellgelbe Warnleibchen gekleidet. Was ist bloß aus der guten alten Bobby-Uniform geworden? Davon ist nämlich nur der Helm geblieben.
Millennium-StadiumNeben dem Bahnhof ist direkt ein Travelodge - Hotel, aber das war (zum Glück) ausgebucht. Der nächste Versuch, eine Unterkunft führte mich zum Riverside Backpackers, einem kleinen aber feinen Hostel direkt gegenüber von Cardiffs neuem Millennium Stadium. Dort sitze ich jetzt gerade, im "Common Room" bei einem Glas Cider (vom Haus gesponsert) und bin mit meiner Wahl sehr zufrieden.
Ungefähr fünf Minuten zu Fuß von meiner Unterbringung aus schlängelt sich der Bute Park über mehrere Kilometer entlang des River Taff. Mit diesem Park hat sich Cardiff eine riesige Grünfläche geleistet, in der man spazieren gehen, radfahren, picknicken, fotografieren, Feste feiern oder einfach nur chillen kann. Von der Machart erinnert er ein bisschen an den Englischen Garten in München, vor allem weil es überall ein bisschen was zu sehen gibt: hier ein Blumengarten, da ein Kunstwerk, hier und da ein paar Kioske zum Kaffeetrinken, eine Bootsanlegestelle (für die Wassertaxis zum Hafen). Und eine Burg. Cardiff Castle, in einer Ecke des Bute Park gelegen, ist die Geburtsstätte dieser emsigen Handelsstadt. Cardiff-Castle Die Römer haben hier im 3. Jhdt. n. Chr. zuerst ihre Zelte aufgeschlagen und diese dann möglichst schnell durch ein Fort ersetzt. Als dann die Normannen kamen, haben diese ihre Motte (Holzburg) auf exakt demselben Punkt errichtet, bevor diese dann von den Wallisern 1404 (angeführt vom walisischen Nationalhelden Owain Glyndwr) im Aufstand gegen die Engländer stark beschädigt wurde. Heutzutage steht an dieser Stelle eine monströse Burganlage, was wir hauptsächlich dem Größenwahn der Victorianer im 19. Jahrundert zu verdanken haben. Zur Zeit findet in der Burg ein großes Käsefestival statt. Dafür war ich heute leider zu spät, aber morgen früh stürze ich mich auf den Käse, auch wenn der Eintritt mit 8.50 Pfund ganz schön teuer ist. Als ich heute vor dem Haupteingang stand, kamen große Menschenmassen von dem Käsefestival herausgeströmt, also muss das gut sein.
Den Rest des Tages habe ich damit verbracht, durch Cardiffs Fußgängerzone zu wandeln. Mein Eindruck war etwas zwiegespalten darüber. Zum einen gibt es kaum noch alte Häuser in der Innenstadt, da diese riesigen Einkaufszentren weichen mussten. Auch dort, wo kein Einkaufszentrum den Blick verstellt wurde die Fußgängerzone komplett modernisiert. ABER, und das ist extra groß geschrieben, moderne Architektur wurde hier so geschickt angewendet und mit altem vermischt, dass man hier nicht den Eindruck hat, in einer modernisierten Stadt zu sein. Es gibt weiterhin die kleinen verwinkelten Gassen wie z.B. im Café - Viertel, in dem zur Straße offene Ladenlokale nicht nur durch ihre tollen Gerüche zum Verweilen einladen. Inmitten der modernen Fußgängerzone (und ich meine wirklich mittendrin) steht eine alte Kirche, wie eine Matrone über die jüngeren Gebäude unter ihr wachend. Man hat sich aber nicht nur dazu entschlossen, die Kirche in die neu entstandene Fußgängerzone einzubetten, sondern auch den dazugehörigen Friedhof an der Rückseite. Cardiff ist somit die einzige mir bekannte Stadt mit einem Friedhof in der Fußgängerzone.
Es war Samstag Abend, 18.30 Uhr. Die Bars und Cafés füllten sich langsam mit den üblichen Wochenendausgängern und mit Rugbyfans. Es muss wohl ein bedeutendes Match im Millennium Stadium stattgefunden haben (was auch die Hundertschaften am Bahnhof erklären würde). Zeit für mich, langsam aber sicher wieder zum Hostel zurückzukehren. Nach ausgehen war mir nicht zumute, so hab ich es mir dann mit meinem Computer im Gemeinschaftsraum bequem gemacht.
Der Plan für morgen ist: Erst gehe ich zum Käsefestival, bevor ich mit dem Wassertaxi zum Hafen fahre und mich dort umtue. Danach komme was wolle. Bis dahin sag ich zum Abschied leise Servus.
Ingo

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